Dr. Remo Gysin, Jahrgang 1945, ist Nationalökonom (rer. pol.) und war von 1984 bis 1992 SP-Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. 1995 wurde er als Nationalrat gewählt, ein Amt, das Remo Gysin im Jahr 2007 niederlegte. Remo Gysin hat sich sein Leben lang mit Gesundheits- und Sozialpolitik auseinandergesetzt und war eine treibende Kraft für den Beitritt der Schweiz zur UNO. Seit 2007 arbeitet Remo Gysin als Direktor des Centre for the Millennium Development Goals of the United Nations (CMDG), ein Institut, das von der Basler Mäzenin Gisela Kutter (Ladies First) finanziert wird, um die Millenniumsziele der UNO bekannter zu machen sowie ihre Umsetzung durch die UNO und die sich für die Ziele verpflichteten Staaten zu überwachen. Remo Gysin gibt im Gespräch mit Christian Dueblin Auskunft über das von ihm geführte Institut, die Millenniumsziele der UNO, über Armut in der Schweiz, den Solidaritätsgedanken und die gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre.
Dueblin: Ban Ki Moon, Generalsekretär der UNO und Nachfolger von Kofi Annan, sagte kürzlich in New York Folgendes: “While recently we have heard much in this country about how problems on Wall Street are affecting innocent people on Main Street, we need to think more about those people around the world with no streets.” Was sagen Sie zu diesem Appell an die Mitglieder der UNO?
Dr. Remo Gysin: Ban Ki Moon will damit aufzeigen, dass unser Denken zurzeit sehr einseitig orientiert ist. Wir sprechen über die internationale Finanzkrise und vergessen dabei, dass es Menschen gibt, die gar nichts haben und täglich ums Überleben kämpfen. Viele übersehen, dass die Ernährungs-, die Energie-, die Klima- und die Finanzkrise zusammenhängen. Die Ursachen sowohl der Klima- als auch der Finanzkrise liegen klar bei den industrialisierten Ländern. Es sind jedoch die ärmsten Länder, die am meisten unter den Auswirkrungen dieser Krisen leiden.
Wir wollen wie Ban Ki Moon ebenfalls auf die Ärmsten dieser Welt aufmerksam machen. Das CMDG wurde geschaffen, um das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Millenniumsziele zu stärken. Wir haben in diesem Herbst in einer repräsentativen Umfrage der ISOPUBLIC festgestellt, dass 88% der Schweizer Bevölkerung die von der UNO formulierten Ziele nicht kennen. Immerhin haben sich 192 Länder zu diesen Zielen bekannt, darunter auch die Schweiz.
Dueblin: Wenn 88% der Bevölkerung die Millenniumsziele der UNO nicht kennen, muss davon ausgegangen werden, dass für viele Menschen wohl auch die Charta der Vereinten Nationen, das Fundament dieser Ziele, ein Fremdwort ist. Worauf führen Sie dieses Nichtwissen in einem Land zurück, das sich seiner Meinungsfreiheit und eines UNO-Sitzes in Genf rühmt, ein gutes Schulsystem unterhält und in dem man sich jederzeit gefahrlos über politische Vorgänge informieren und sich politisch einbringen kann?
Dr. Remo Gysin: Es gibt verschiedene Gründe. Im Alltag sind wir mit anderen, für uns wichtigeren Dingen beschäftigt. Ich denke an die eigenen Kinder, die Betreuung hochbetagter Eltern, die AHV, die IV aber auch an die eigene Gesundheit und das Risiko, arbeitslos zu werden. Das sind alles Themen und Herausforderungen, welche die Menschen direkter treffen als die Ziele der UNO. Die Millenniumsziele und die UN-Charta geniessen somit nicht Priorität, was bis zu einem gewissen Masse auch verständlich ist. Ein anderer Grund besteht darin, dass die politische Bildung in den Schweizer Schulen mangelhaft ist. Auch in den Universitäten und in den meisten Unternehmen sind die Millenniumsziele nur selten ein Thema. Die Unkenntnis ist im Hinblick auf das Ausmass der Armut und die Dringlichkeit der Zielerfüllung alarmierend.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass in letzter Zeit die Besinnung auf unsere Grundwerte und die Solidarität zunimmt. Vielen Menschen ist das Thema soziale Gerechtigkeit wichtig. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie viele Besucher an die Veranstaltung am 28. November 2008, dem 1. Tag der Millenniumsziele, ins Basler Stadttheater kamen, um sich zu informieren. Auch die vielen positiven Reaktionen nach dem Anlass stimmen mich zuversichtlich. Es darf auch nicht vergessen werden, dass sich viele Menschen wohltätig und sozial engagieren, ohne dabei im Licht der Medien zu erscheinen. Wir müssen viele sein, um wesentliche Verbesserungen der Solidarität in unserer Gesellschaft herbeizuführen.
Dueblin: Widerspiegeln die 88% auch die Tatsache – ich beziehe mich unter anderem auf die Aussage eines Hilfswerk Mitarbeiters in der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) -, dass die Schweiz zusammen mit Griechenland und Australien bezüglich BIP-Beiträge (Bruttoinlandprodukt) für unterprivilegierte Menschen das Schlusslicht im Tross der Beiträge zahlenden Länder bildet?
Dr. Remo Gysin: In Bezug auf die Ausgaben in Prozenten des BIP befindet sich die Schweiz im Mittelfeld der europäischen Länder. Von der UNO werden 0,7% des BIP als Hilfe für arme Länder und Menschen gefordert. Ban Ki Moon rief unlängst alle Länder auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Mit aktuell 0,37% und den jüngst vom Parlament festgelegten 0,5% sind wir in der Schweiz von der von der UNO gewünschten und vom Bundesrat mehrfach anerkannten Zielgrösse von 0,7% noch weit entfernt. Es gibt auch Länder, wie beispielsweise Italien oder Griechenland, die noch weniger Geld für Hilfe zur Verfügung stellen. Luxemburg und die skandinavischen Staaten dagegen helfen mit 0,9%, also mit mehr als doppelt so viel wie die Schweiz! Das ist für unser reiches Land beschämend.
Dueblin: Kritiker im Parlament würden nun sagen, dass es nicht nur um das Bezahlen von gewissen Beträgen gehe, sondern auch um den richtigen und sinnvollen Einsatz dieser Gelder. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) musste immer wieder Schelte einstecken. Nun hat das Parlament knapp 70 Milliarden Franken für die Rettung eines einzigen Unternehmens in der Schweiz, einer Grossbank, zur Verfügung gestellt. Es fällt auf, dass die Auseinandersetzung mit diesem unerhört grossen Betrag sehr einfach über die Bühne ging und im Vergleich zu oft auch kleineren Geschäften und Projekten, etwa der DEZA, relativ problemlos abgesegnet wurde. Gleiches passiert zurzeit auch in anderen Ländern. Was geht in Ihnen heute vor, wenn Sie solche Debatten, die Sie wohl oft auch selber im Parlament erlebt haben, mit der Zahlung für die UBS vergleichen?
Dr. Remo Gysin: Mit der UBS und den bald 70 Milliarden Franken ist etwas im ökonomischen und politischen Verteilungskampf innerhalb der Schweiz vorgefallen, das es noch nie gegeben hat. Wir haben im Parlament oft erfolglos um zusätzliche Millionen für Bildung und soziale Projekte gekämpft. Ein Privatunternehmen erhält nun aber auf einen Schlag Staatsgelder, die alles andere in den Schatten stellen und jede bisher bekannte Relation sprengen. Wie der Bundesrat und die Nationalbank mit Milliarden um sich werfen können, kann ich – und wohl die meisten Menschen – nicht verstehen. Wenn ein riesiger Teil unseres Volksvermögens noch ohne einschneidende flankierende Massnahmen in weitgehend wertlose Papiere „versetzt“ wird, müssen wir uns schon fragen, was los ist. Es verpuffen über Jahrzehnte angehäufte Ressourcen als gäbe es keine nächste Generation. Die Frage nach den Ursachen und Verursachern wird unterschlagen. Jede rationale Problemlösung fängt mit einer Ursachenanalyse an. Warum gilt dies beim vorliegenden Bankenskandel nicht? Ich bin über den Bankenskandal und die Art und Weise, wie die Politik damit umgeht, empört. Im Hinblick auf das Verhalten derjenigen Parteien, die während Jahren sechsstellige Beträge von der UBS und andern Banken erhalten haben, stellen Transparency Schweiz und andere kritische Organisationen mit Recht die Frage der Korruption. Die gezielte Parteienfinanzierung durch grosse Wirtschaftsunternehmen erfolgt jedenfalls nicht selbstlos zum Wohle der Demokratie. Zu hinterfragen sind insbesondere die Abhängigkeitsverhältnisse, die mit solchen Zahlungen geschaffen werden.
Wir lebten in den letzten Jahren in einer Wirtschaftswelt, in welcher die Rücksichtslosen gefördert und die sozial und ökologisch verantwortlich Handelnden benachteiligt wurden. Das Verursacherprinzip wurde missachtet und Solidarität zum Wettbewerbsnachteil erklärt. „Gutmensch“ wurde zum Spottausdruck. Ich hoffe, dass diese Phase nun beendet ist.
Dueblin: Es sind auch aus privater Initiative entstandene NGOs (Non Governmental Organisations), die ihre Interessen im Parlament und in der Gesetzgebung durchsetzen wollen. Denken wir etwa an Greenpeace oder an den WWF aber auch an Ihre Institution, die CMDG. So ehrenwert alle von diesen Organisationen verfolgten Ziele sind, diese Organisationen sind nicht von der Bevölkerung in einem demokratischen Prozess gewählt worden, nehmen aber ebenfalls Einfluss auf unser Parlament und unsere Gesetzgebung. Wie beurteilen Sie diese Art der Einflussnahme?
Dr. Remo Gysin: Die Demokratie findet nicht nur im Parlament statt. Sie hat viele Akteure. Betrachten Sie die Volksinitiative gegen das Abzocken. Ein einzelner Mensch hat sie lanciert und hiermit viel in Bewegung bringen können. Das ist in der Schweiz möglich! Und das finde ich gut. Die grösste Machtballung liegt meines Erachtens jedoch bei den grossen Wirtschaftsunternehmen. Sie können viel Geld und viele Menschen für ihre Interessen einsetzen. Dazu braucht es ein Gegengewicht. Die Politik und das Parlament spiegeln die Gesellschaft, inklusive die gut organisierten Interessen der Wirtschaft. Ihnen gelingt es nur sehr beschränkt, die notwendige Balance zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Werten herzustellen. Es sind viel mehr die NGOs, die wachrütteln und ein Gegengewicht zu rein ökonomisch und auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmen bilden.
Die acht Millenniumsentwicklungsziele zur Bekämpfung der extremen Armut sind ein von allen Ländern anerkanntes Konzept zur Konkretisierung und Umsetzung der Menschenrechte. Auch sie haben Schwachpunkte, zum Beispiel in der Erfassung der tatsächlichen Situation, die in Wirklichkeit weit schlimmer ist als statistisch nachweisbar. Ich sehe aber keinen besseren Ansatz, den grossen Ungerechtigkeiten auf der Welt entgegenzutreten. Solidarität ist nicht nur eine Angelegenheit des Staates und der NGOs. Jedes Unternehmen und jeder einzelne Mensch hinterlässt einen sozialen und ökologischen Fussabdruck und trägt Verantwortung. Frau Gisela Kutter hat aus dieser Haltung heraus die Stiftung und das Zentrum für die Millenniumsentwicklungsziele der UNO (CMDG) gegründet.
Dueblin: Frau Gisela Kutter hat einen grösseren Betrag zur Verfügung gestellt. Verfolgt wird nebst dem Schaffen des Bewusstseins für die Millenniumsziele auch das Überwachen der Umsetzung ebendieser Ziele. Welchen Stellenwert geben Sie diesem – in einem Unternehmen würde man von Controlling-Funktion sprechen – Teil des Engagements des Institutes?
Dr. Remo Gysin: Unser Zentrum will mithelfen, die extreme Armut in der Welt bis zum Jahre 2015 zu halbieren, wie es in der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen festgehalten ist. Dazu stärkt es auf der einen Seite durch professionelle Kommunikation das öffentliche Bewusstsein für die Millenniumsziele. Auf der anderen Seite bietet es eine Plattform für einen kritischen und konstruktiven Dialog über die Millenniumsziel-Arbeit der UNO, der Regierungen, der NGOs und anderer Akteure. Beide Zwecke unseres Zentrums sind gleichwertig und können in Programmen und Projekten auch miteinander verbunden sein. Die Beiträge zur Zielerreichung messen wir mit den vorgegebenen Indikatoren zu den einzelnen Millenniumszielen. Dabei stützen wir uns auf verschiedene Datenquellen internationaler Organisationen. Wir ermuntern die Bevölkerung, zielgerichtete Aktivitäten von Regierung und Parlament – sei es auf Bundes- , Kantons- oder Gemeindebene – einzufordern. Zusätzlich stellen wir öffentlich Forderungen an die Behörden und die Wirtschaft. Aktuell fordern wir den Bundesrat auf, Wort zu halten und die versprochenen 0,7% des BIP als Entwicklungsbeitrag der Schweiz baldmöglichst einzulösen. Die Wirtschaft fordern wir auf, unternehmerische Konzepte zur sozialen und ökologischen Verantwortung zu konzipieren und umzusetzen. Von der UNO verlangen wir verbindliche Vorgaben für multinationale Unternehmen im Rahmen des Global Compacts, einem bisher leider schwächelnden Konzept der weltweiten Unternehmensverantwortung. Zusammengefasst: Das CMDG informiert, kommuniziert, beobachtet, analysiert, beurteilt und fordert.
Die Millenniumsziele verpflichten jedes einzelne Land. Wir stellen fest, dass schon einiges an Positivem passiert ist. Es gibt in der Schweiz sehr viele Ansätze vom Staat und auch von privaten Personen und Unternehmen. So ist beispielsweise die Novartis AG an vielen Projekten zur Erreichung der Millenniumsziele beteiligt. Auch Swissaid, Caritas Schweiz und andere Hilfswerke leisten nachhaltige Beiträge zur Armutsbekämpfung. Der Bund ist insbesondere mit der DEZA aktiv. Bundesrätin Doris Leuthardt war am 28. November 2008, am 1. Tag der Millenniumsziele, in Basel präsent.
Dueblin: Wir begegnen in der Schweiz, einem der wohl reichsten Staaten der Welt, Wörtern wie „Armut“ oder „Elend“. Mit diesen Ausdrücken beschreiben wir Menschen, die in unserem System leiden. Ich will dieses Leid nicht in Frage stellen, es gibt auch in der Schweiz Menschen, die unten durch müssen, es sehr schwierig haben und denen geholfen werden muss. Welche Wörter aber müssen wir finden, wenn wir von hunderten von Millionen von Menschen sprechen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen. Können wir denn diese Wörter wie „Armut“ und „Elend“ für diese Menschen noch brauchen ohne die Begriffe zu pervertieren?
Dr. Remo Gysin: Sans-Papiers oder Arbeit- und Asylsuchende aus ärmsten Ländern verdeutlichen in der Schweiz Zusammenhänge der weltweiten Armut. Die Armut in der Schweiz lässt sich aber meines Erachtens nicht mit der extremen Armut in anderen Ländern vergleichen. Wir haben in der Schweiz ein soziales Netz, das – wenn auch nicht ganz immer – gut funktioniert. Die weltweite Armut mahnt uns, zu diesem Netz Sorge zu tragen, denn die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in der Schweiz immer grösser. Der Mittelstand verkleinert sich. Die Armutsrisiken der Arbeitslosigkeit und des wirtschaftlichen Ruins nehmen bedrohlich zu. Die Probleme vieler alleinstehender Frauen mit Kindern oder etwa Menschen nach einer Scheidung sind noch längst nicht gelöst.
Der Not im eigenen Land steht weltweit gesehen eine weit extremere Armut gegenüber, die tatsächlich kaum vorstellbar ist. UNO-Berichte weisen auf rund eine Milliarde Menschen hin, die heute an Hunger leiden. Die geschätzte Dunkelziffer beträgt eine zusätzliche Milliarde. Ein Blick in die Augen eines hungernden Kindes mag das weltweite Elend verständlicher machen als unvorstellbare Zahlen. Armut hat viele Gesichter: fehlendes Einkommen, Krankheit, geschlossene Schulen, Kinder- und Müttersterblichkeit, Luft- und Wasserverschmutzung, um nur einige zu nennen. Alle diese Ausdruckformen sind im Konzept der Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung eingeschlossen.
Dueblin: Sie haben sich für den Beitritt der Schweiz zur UNO eingesetzt. Dieser Beitritt war sehr umstritten. Hat die Schweiz, im Nachhinein betrachtet, Ihres Erachtens etwas verloren, indem sie der UNO beigetreten ist?
Dr. Remo Gysin: Die Schweiz hat ihren Platz in der Weltgemeinschaft der UNO gefunden und gut eingenommen. Viele Schweizerinnen und Schweizer, beispielsweise Altbundesrat Adolf Ogi, der Staatsrechtler Walter Kälin oder Jean Ziegler, haben in wichtigen UNO-Gremien Einsitz und Einfluss genommen. Unser Land hat an Akzeptanz, Handlung- und Entscheidungsmöglichkeiten gewonnen.
Dueblin: Was glauben Sie wird der Stellenwert der UNO auf der Welt in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren sein?
Dr. Remo Gysin: Die UNO wird stärker werden. Gerade in der heutigen Krisenzeit wird erkennbar, dass ein einzelnes Land die Krise nicht beherrschen und verhindern kann. Es braucht die internationale Vernetzung und Führungsfunktion der UNO in allen wichtigen Fragen des Friedens, des Umweltschutzes, der Weltwirtschaft und der Gerechtigkeit. Aber die UNO hat auch Reformbedarf. Die Stimmrechtsverhältnisse im Sicherheitsrat und auch in den Bretton Woods-Institutionen werden der heutigen Welt nicht mehr gerecht. China, Brasilien und Indien werden in den kommenden Jahren ein stärkeres Gewicht erhalten. Ich hoffe, dass dies auch in Bezug auf die schwächeren afrikanischen Staaten der Fall sein wird. Die UNO muss auch demokratischer werden.
Dueblin: Was wünschen Sie der Schweiz als Politiker, Privatperson und Direktor der CDMG?
Dr. Remo Gysin: Meine Vision ist eine solidarische Schweiz, Solidarität mit den Schwächsten auch im eigenen Land. Wir müssen dafür sorgen, dass die Chancengleichheit verbessert wird und die Schweiz in diesem Bereich nicht Schlusslicht Europas wird. Die Schweiz braucht zur Bekämpfung der eigenen und weltweiten Armut ein starkes soziales Gewissen. Ich wünsche mir deshalb, dass die Mentalität von Egoismus, die in den letzten Jahren Oberhand genommen hat, wieder zurückgeht.
Veränderungen sind möglich. Auch die Millenniumsziele sind erreichbar. Wir haben dazu alle notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Resssourcen. Was fehlt ist der notwendige Wille. Trotzdem gibt es viele positive Meldungen, die in den Medien allerdings oft untergehen. Krankheiten wie Masern, Pocken und Polio konnten erfolgreich bekämpft werden. Über den Kampf von Rotary gegen Polio haben Sie selber berichtet. Die Gesundheitsdienste, die Alphabetisierung und die Einschulung von Knaben und Mädchen haben sich in vielen Ländern stark verbessert.
Zum Abschluss eine Erfolgsgeschichte: Die Schweiz hat im Kampf gegen die Malaria mit dazu beigetragen, dass in Tansania vermehrt Moskitonetze gebraucht werden. Die DEZA geht davon aus, dass durch die von der Schweiz organisierten Massnahmen rund 40’000 Kindern das Leben gerettet werden konnte. Es braucht also nicht immer komplizierte logistische Konzepte und teure Massnahmen, um nachhaltig helfen zu können.
Dueblin: Sehr geehrter Herr Gysin, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen und Ihrer Institution alles Gute und weiterhin viel Erfolg.
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