Dr. Steffen Dietz Xecutives.net-Interview
Dr. Steffen Dietz Xecutives.net-Interview

Dr. Steffen Dietz studierte Rechtswissenschaften an der Friedrich Schiller Universität in Jena. Bereits nach sieben Semestern legte er als Zweitbester seines Jahrgangs in Thüringen sein 1. Staatsexamen ab, um zwei Jahre später als Jahrgangsbester sein 2. Staatsexamen zu absolvieren, beste Voraussetzungen dafür, sich nach eigener Wahl einem interessanten Anwaltsbüro anschliessen und seinen Anwaltsberufswunsch erfüllen zu können. Vorerst aber promovierte Steffen Dietz zum Thema „Die Ausgliederung nach dem UmwG und nach Holzmüller, Zugleich eine Untersuchung zur Rechtsstellung des Aktionärs“ mit m.c.l. bei Prof. Bayer in Jena und begann im Jahr 1999 als 26-jähriger Anwalt seine Tätigkeit bei der internationalen Anwaltsgesellschaft Allen & Overy LLP, wo er fast sieben Jahre als Anwalt für Gesellschaftsrecht/M&A in Frankfurt am Main und New York tätig war.

Im Herbst 2005 gründete Dr. Steffen Dietz seine eigene auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei. Im Interview beantwortet Dr. Steffen Dietz Fragen zum Thema Jura-Ausbildung. Er beschreibt, wie er sich sein Wissen in Sachen M&A nach dem Studium habe aneignen müssen und empfiehlt jungen angehenden Anwältinnen und Anwälten als Einstieg Grosskanzleien, um dort die ersten Sporen abzuverdienen. Dr. Dietz geht im Interview auf Fragen in Bezug auf die Abwicklung von M&A-Geschäften ein. Er zeigt auf, wo in der Praxis sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer die Chancen und Gefahren liegen.

Xecutives.net: Sehr geehrter Herr Dietz, Sie sind seit vielen Jahren als Rechtsanwalt tätig und haben weit über 100 nationale und internationale Mergers & Acquisitions-Transaktionen, oft auch einfach „M&A-Transaktionen“ genannt, rechtlich begleitet. Der Begriff sagt es schon, wir sprechen über einen englischen Terminus. Was hat es mit dem Begriff „M&A“ auf sich?

Steffen Dietz: In der Tat stammt der Begriff aus dem englischen Sprachgebrauch und kann als Zusammenschluss (Merger) und Erwerb (Acquisition) von Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen übersetzt werden. Neben dem klassischen Erwerb von Unternehmen, der entweder als Erwerb von deren Geschäftsanteilen (sogenannter „Share Deal“) oder deren Einzelwirtschaftsgütern (sogenannter „Asset Deal“) erfolgen kann, gehört die Beratung bei Verschmelzungen, Umwandlungen und beispielsweise der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) dazu.

Xecutives.net: M&A ist ein interessantes und auch lukratives Gebiet für Juristen und mich würde interessieren, was für Voraussetzungen ein Jurist mitbringen muss, um im M&A-Business bestehen zu können? Wir sind uns beide im Klaren, dass solche Geschäfte viel von beteiligten Spezialisten abverlangen. Ich denke an die jederzeitige Erreichbarkeit und Arbeiten auch in den Ferien. Dazu kommen Fachkenntnisse auch über den Tellerrand eines Juristen hinaus, ohne die keine erfolgreichen Deals abgeschlossen werden können.

Steffen Dietz: In der Tat ist die Arbeitsbelastung gerade kurz vor Transaktionsabschluss mitunter immens. Das ist aber bei Prozessrechtlern, die kurz vor Fristablauf einen umfangreichen Schriftsatz einreichen müssen, nicht anders und generell ist mein Eindruck, dass Juristen im Vergleich zu manch anderen Berufsgruppen überdurchschnittlich viel arbeiten, dafür aber auch meist sehr gut verdienen.

Das Anspruchsvolle aber auch Schöne im M&A Geschäft ist es, dass man es mit ganz unterschiedlichen Unternehmen in den verschiedensten Branchen zu tun hat. Häufig muss man erst einmal verstehen, wie das konkrete Geschäftsmodell funktioniert, mit welchen Kunden und Produkten Geld verdient wird und von welchen Lieferanten man beispielsweise warum abhängig ist. Und Sie sagen das völlig richtig, es geht auch darum, sich mit anderen Spezialisten auseinanderzusetzen, etwa mit solchen, die im Umweltrecht, Kartellrecht tätig sind oder sich auf Pensionsthemen, Steuern, IP etc. spezialisiert haben. Vom M&A-Anwalt als Verhandlungsführer eines Unternehmenskaufs ist darum zu erwarten, dass er die Stellungnahmen dieser Fachspezialisten schnell versteht und sie im Hinblick auf die Auswirkungen auf die konkrete Transaktion einordnen kann und vor allem, dass er den Spezialisten zunächst einmal die richtigen Fragen stellt und weiss, wann überhaupt er einen Spezialisten hinzuziehen muss.

Ebenso wichtig ist ein vertieftes generelles wirtschaftliches Verständnis, da der M&A-Anwalt andernfalls nicht in der Lage sein wird, die Kaufpreisdiskussionen nachzuvollziehen und hier sachgerechte Vorschläge zu machen. Leider wird dieser Aspekt in der klassischen Juristenausbildung nahezu komplett vernachlässigt, so dass man sich diese Kenntnisse später selbst mühsam erarbeiten muss.

Unerlässlich sind solide, möglichst im Ausland erworbene Englischkenntnisse, da immer mehr Transaktionen, gerade auch im Mittelstand, einen internationalen Aspekt aufweisen. So habe ich beispielsweise erst vor kurzem zum Verkauf eines lokalen Medizintechnikherstellers an einen indischen Kaufinteressenten beraten. Als der Verkauf scheiterte, da der potentielle Käufer selbst übernommen wurde und seine Europastrategie änderte, wurde das Unternehmen erneut am Markt platziert und letztlich an einen strategischen mexikanischen Investor veräussert. Solche Transaktionen waren vor 20 Jahren im Mittelstand die absolute Ausnahme, heute sind sie Standard – und alles läuft auf Englisch.

Xecutives.net-Interview Dr. Steffen Dietz Mergers & Acquisitions

Xecutives.net: Herr Dietz, Sie sagen, dass Sie sich später im Berufsleben sehr viel selber haben aneignen müssen. Es fällt auch im Gespräch mit anderen Interviewpartnern auf, dass der Fokus vieler Universitäten auch heute noch sehr auf der Theorie liegt. Die Praxis geht dabei oft vollständig verloren, so mein eigener Eindruck als ehemaliger Student an rechtswissenschaftlichen Fakultäten. Das gilt gerade auch für wichtige Themen, die Unternehmensjuristen betreffen, von denen es doch eine grosse Anzahl gibt. Heute erkenne ich, dass viele Absolventen von solchen Fakultäten völlig unvorbereitet in die Praxis einsteigen müssen. Was könnte eine Universität beisteuern, damit dieses Aneignen von Wirtschaftswissen im Beruf später einfacher wird? Wie müsste eine Universität bspw. M&A vermitteln und wer müsste vermitteln?

Steffen Dietz: Ich habe dieselben Erfahrungen gemacht wie Sie. Da gibt es sicherlich Nachholbedarf. Im Vergleich zu meinem Studium vor knapp 30 Jahren hat sich jedoch etliches getan. Beispielsweise gibt es an deutschen Universitäten derzeit viele Veranstaltungen zum Thema M&A, die auch von erfahrenen Praktikern gehalten werden. Die Grundfrage der deutschen Juristenausbildung ist letztlich, ob man am Modell des sogenannten „Einheitsjuristen“ mit einem Fokus auf die Befähigung zum Richteramt festhalten möchte, obwohl die weit überwiegende Zahl der Juristen später Rechtsanwalt werden will oder auch schlicht werden muss, da sie mangels entsprechend guter Examina keine Anstellung im Staatsdienst erhalten.

Ich persönlich halte die Ausbildung als Einheitsjurist trotzdem unverändert für überzeugend. Auch wenn dies dazu führt, dass man sich im Berufsleben einer Grosskanzlei deutlich mehr selbst erarbeiten muss, im Vergleich zum englischen Kollegen, der genau hierauf als Trainee geschult wird. Es ist doch sehr sinnvoll, in den juristischen Methoden erst einmal vernünftig ausgebildet zu werden und zu verstehen, wie ein Richter, Staatsanwalt oder auch Verwaltungsbeamter denkt. Aber ich schliesse mich Ihrer Meinung insofern an, als dass man gerade auch für den Beruf eines Unternehmensjuristen, der nicht mit einem Anwalt verglichen werden kann, bessere Vorbereitungen auf das Berufsleben geben könnte.

Xecutives.net: Sie haben nach etlichen Jahren in der Grosskanzlei den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und eine Einzelkanzlei gegründet. Warum eigentlich und wie hat dies Ihre berufliche Tätigkeit verändert?

Steffen Dietz: Ich hatte bei Allen & Overy eine wunderbare, anspruchsvolle Zeit, die mich privat und beruflich weiter gebracht hat und ich kann jedem jungen Juristen, der Anwalt oder auch Unternehmensjurist werden möchte, empfehlen, die ersten Berufsjahre in einer Grosskanzlei zu verbringen. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem man sich fragt, ob man das sein Leben lang machen möchte, zumal man als einer von mehreren hundert Partnern letztlich auch kaum etwas zu entscheiden hat. Zudem sind die dortige Arbeitsbelastung und der Druck, jedes Jahr den vereinbarten Mindestumsatz zu bringen, enorm.

Wichtig für mich war es, in eigener Kanzlei deutlich unabhängiger und unternehmerischer entscheiden zu können. Hinzu kommt die Möglichkeit, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, da das tägliche Pendeln ins Büro entfällt. Zudem habe ich insgesamt die Möglichkeit, mein Leben selbstbestimmter zu gestalten, sei es auch nur in kleinen Dingen, wie der Ausgestaltung und Grösse meiner Büroräume.

Xecutives.net: Sie müssen heute mehr selber akquirieren als zuvor, was nicht jedermanns Sache ist. Was hat sich in Sachen Akquise verändert mit der Selbständigkeit?

Steffen Dietz: Statt auf den Kollegen im Büro nebenan vertraue ich nunmehr auf ein Netzwerk ähnlich erfahrener Spezialisten, mit denen ich etwa im Bereich Steuern, Arbeitsrecht und IP regelmässig zusammenarbeite. In der Akquise kann ich nicht mehr von der Reputation einer Marke wie etwa „Allen & Overy“ und den Zuweisungen aus anderen Büros leben, sondern muss meine Mandanten von mir selbst als dem für sie richtigen juristischen Berater überzeugen. Hilfreich ist hierbei die enge Kooperation mit M&A- Beratern und Kollegen, die mich aus vielen Transaktionen kennen und daher gern auch für neue Deals empfehlen, ebenso wie ich dies umgekehrt auch mache.

Gar nicht so selten kommt es auch vor, dass nach einer hart verhandelten Transaktion mich die Gegenseite beim nächsten Mal mandatiert, was letztlich ein sehr schönes Kompliment für die geleistete Arbeit ist. Ich sage das alles, weil ein angehender Anwalt oder eine angehende Anwältin sich Gedanken machen muss, nicht nur juristisch tätig zu sein, sondern möglicherweise eben auch Kundenkontakte aufbauen und pflegen muss. Im Übrigen auch ein Thema, das an Universitäten keinen Raum findet, was in Anbetracht seiner Bedeutung nicht leicht zu verstehen ist.

Xecutives.net: Gerne möchte ich das Thema M&A etwas genauer beleuchten. Gibt es im „M&A“-Markt Trends, die Sie erkennen und die Auswirkungen haben auf Ihr Geschäft? Mit anderen Worten, gibt es Themen, die auch Rückschlüsse auf Veränderungen in unserer Gesellschaft zulassen?

Steffen Dietz: M&A ist letztlich ein Spiegelbild der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Standen um die Jahrtausendwende die Beratung im Zusammenhang mit den Versteigerungen der UMTS-Lizenzen (für letztlich über 50 Mrd. Euro) und die Übernahmeschlachten der Mobilfunkanbieter im Mittelpunkt, so spürt man derzeit etwa die Auswirkungen der Elektromobilität sehr deutlich. Die sich hieraus ergebenden Anforderungen der Hersteller führen neben ohnehin anstehenden Generationsnachfolgen beispielsweise dazu, dass fast nur noch die grossen Autohändler überleben, so dass ich beispielsweise im letzten Jahr allein drei Verkäufe von Autohäusern der unterschiedlichsten Marken betreuen konnte. Ein weiterer Trend ist darin zu sehen, dass viele junge Ärzte, Tierärzte und Zahnärzte wegen der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf lieber angestellt arbeiten möchten, so dass die Praxisgrössen steigen.

Zugleich gibt es Finanzinvestoren aus Holland und dem skandinavischen Raum, die sich auf die mehrheitliche Beteiligung an Tierkliniken und Zahnarztpraxen spezialisiert haben und hier aktuell sehr attraktive Kaufpreise zahlen, was zu einer erhöhten Anzahl von Transaktionen führt. Nachdem ich hier bereits eine recht grosse Transaktion betreuen konnte, sind etliche weitere Deals in naher Zukunft absehbar.

Auffällig ist auch, dass in dem aktuell eher verkäuferfreundlichen Markt immer mehr Transaktionen zu einem bereits fest vereinbarten Kaufpreis auf Basis des letzten Jahresabschlusses abgeschlossen werden, meist verbunden mit der Garantie, dass der Geschäftsbetrieb nach dem Stichtag des Jahresabschlusses bis zum Vollzugstag ordnungsgemäss fortgeführt wurde und es insbesondere keine verbotenen Mittelabflüsse gegeben hat (kein „Leakage“) (sogenannter „Locked Box-Ansatz“). Für den Käufer ist dieser Locked Box Ansatz naturgemäss deutlich riskanter, als wenn er nach dem Vollzugstag zur Bestimmung des endgültigen Kaufpreises einen eigenen Stichtagsabschluss zum Vollzugstag aufstellen und damit letztlich jede Bilanzposition aus dem letzten Jahresabschluss noch einmal in Frage stellen kann.

Xecutives.net-Interview Dr. Steffen Dietz: Vertrag

Xecutives.net: Wo erkennen Sie in der M&A Transaktionspraxis die Fehler? Was machen Käufer und Verkäufer falsch, so dass Schäden entstehen? Könnten Sie ein paar Hinweise geben, so dass Fehler vermieden werden können?

Die Grundstruktur einer Transaktion kann man sich wie folgt vorstellen:

  1. Strukturierung und Beratung im Vorfeld der Transaktion
  2. Erste Marktansprache auf Verkäuferseite  bzw. erste Marktsondierung auf Käuferseite
  3. Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung
  4. Erstellung und Abgabe eines Informationsmemorandum durch den Verkäufer
  5. Abgabe eines indikativen Angebots durch den Käufer
  6. Verhandlung und Abschluss einer Absichtserklärung („LoI“)
  7. Durchführung der Due Diligence-Prüfung
  8. Erstellung der Vertragsentwürfe und Führung der Vertragsverhandlungen bis zum Vertragsabschluss („Signing“)
  9. Sicherstellung der Erfüllung der aufschiebenden Bedingungen bis zum Vollzug („Closing“)
  10. Durchführung und Dokumentation des Vollzugs („Closing“)
  11. Post-M&A Themen, wie Integration der Zielgesellschaft, Prüfung des Bestehens von Garantieansprüchen und Verteidigung gegen behauptete unberechtigte Garantieansprüche

Einer der Hauptfehler liegt nun darin, dass qualifizierte Juristen erst zu einem sehr späten Zeitpunkt eingeschaltet werden; beispielsweise erst ab Phase 7 oder 8. Dies ist einerseits aus Kostengründen verständlich, da der Verkäufer/Käufer zumindest erst einmal eine Absichtserklärung abgeschlossen haben möchte, bevor er Geld für Beratungsleistungen ausgibt. Allerdings wird sehr häufig am falschen Ende gespart. So ist es zwar richtig, dass eine Absichtserklärung (LoI) in Bezug auf den Abschluss der Transaktion selbst nicht rechtlich bindend ist. In ihr werden aber wesentliche kommerzielle Punkte, etwa zur Kaufpreisstruktur, dem Bestehen und der Höhe eines Kaufpreiseinbehalts zur Absicherung von Garantieansprüchen und teilweise auch bereits zum Umfang von Garantien und Freistellungen schriftlich festgelegt, von denen man später im Rahmen der Verhandlungen nur ganz schwer wieder abrücken kann, ohne sein Gesicht als ehrlicher Verhandlungspartner zu verlieren.

Xecutives.net: Wann soll gemäss Ihrer Liste ein Jurist eingeschaltet werden?

Steffen Dietz: Idealerweise schaltet man einen erfahrenen M&A-Juristen bereits in Phase 1 ein, da zu diesem Zeitpunkt noch Versäumnisse aus der Vergangenheit behoben werden können, die später nicht mehr zu heilen sind. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen, das sehr schön zeigt, worin diese Fehler bestehen können: So mag es möglich sein, von den freiberuflichen Softwareentwicklern einer IT-Firma im normalen Ablauf eine Erklärung zu erhalten, wonach diese sämtliche Rechte an ihren Entwicklungsergebnissen auf den Auftraggeber übertragen, falls man in Phase 1 feststellt, dass dies bisher nicht der Fall war. Wird der Fehler erst im Rahmen der Due Diligence-Prüfung durch den Käufer entdeckt, wenn die Verkaufsabsichten zumindest gerüchteweise bis zu den Entwicklern durchgedrungen sind, so ist dies nicht mehr möglich und kann zu einem erheblichen Kaufpreisabschlag, wenn nicht gar zum Scheitern der Transaktion führen.

Xecutives.net: Nun geht es aber auch in den beteiligten Unternehmen immer auch darum, die Kosten tief zu halten, auch gerade dort, wo eine Rechtsabteilung besteht. Warum soll in einem solchen Fall, einem sehr frühen Zeitpunkt, wo noch alles unklar ist, schon ein externer Rechtsanwalt eingeschaltet werden?

Steffen Dietz: Das ist richtig, hier muss aber Folgendes unterschieden werden: Wenn es sich um einen Verkäufer mit einem in M&A-Themen erfahrenen In-house Juristen oder einer entsprechenden Rechtsabteilung handelt, so kann dieser bzw. diese sämtliche Phasen von 1. bis 7. auch selbst abdecken. Bei kleineren und mittleren Transaktionsvolumen ist das allerdings eher selten der Fall. In den meisten Fällen stellt hingegen der Verkauf des Unternehmens nicht nur für den Unternehmer selbst, sondern auch für dessen „Haus- und Hofjuristen“ ein einmaliges Ereignis dar, dem dieser mangels Erfahrung auf diesem Gebiet nicht immer gewachsen ist. Es ist hier ein bisschen wie beim Hauskauf, das man in der Regel nur einmal kauft. Das erklärt auch, warum viele Käufer später mit vielen Problemen konfrontiert sind. Sie lernen beim ersten Hauskauf. Ihre Einsichten können sie später aber nicht mehr umsetzen, weil kein zweites gekauft wird. Das erklärt, warum auch Unternehmensjuristen in Spezialfällen auf externe Experten zugreifen.

Schliesslich sollte man einen psychologischen Aspekt nicht ausser Acht lassen. Jeder glaubt an das Produkt seiner Arbeit und wird versuchen, dessen Richtigkeit zu rechtfertigen, wenn man ihm dieses einige Jahre später zur Prüfung vorlegt. Dem Hausanwalt wird es naturgemäss sehr schwer fallen, einen Fehler in dem von ihm selbst entworfenen Vertrag zu erkennen oder den erkannten Fehler auch zuzugeben, während der mit der Prüfung beauftragte unvoreingenommene Anwalt des Käufers diesen Fehler auf den ersten Blick erkennt. Hier kann es daher sinnvoll sein, sehr früh auch auf Verkäuferseite einen unvoreingenommenen externen M&A-Anwalt hinzuzuziehen, der sich die Dinge genauso ansieht, wie er dies auch auf Käuferseite machen würde.

Xecutives.net-Interview Dr. Steffen Dietz: Kartellrecht

Xecutives.net: Es sind gerade an M&A-Projekten in aller Regel viele Spezialisten beteiligt, nicht nur Juristen, sondern auch Finanzexperten und Steuerexperten. Wir wollen das Thema aus rechtlicher und Legal Operations-Sicht betrachten und trotzdem möchte ich Sie fragen, wie Sie mit den Schnittstellen zu anderen Spezialisten umgehen. Wo lauern hier die Gefahren bei so einem Geschäft, wo die Chancen, wenn es um die rechtliche Zusammenarbeit geht?

Steffen Dietz: Die Hauptgefahr besteht darin, dass jeder Berater nur seinen Bereich betrachtet und davon ausgeht, der Rest gehe ihn nichts an. So wird es einem Käuferanwalt nie auffallen, dass einerseits im rechtlichen Teil der Due Diligence keine Rechtsstreitigkeiten offengelegt wurden, obwohl der letzte Jahresabschluss eine sehr hohe Prozessrückstellung beinhaltet, wenn er sich diesen Jahresabschluss gar nicht ansieht, da dies ja „Finance“ ist. Das Risiko erhöht sich durch die heute nahezu ausschliesslich verwendeten „virtuellen Datenräume“ bei denen man die anderen Berater gar nicht mehr zu Gesicht bekommt. Früher konnte man solche Dinge nach Verlassen des physischen Datenraums auch einmal nach dem zweiten oder dritten Bier mit dem für die Finance-Due Diligence zuständigen Wirtschaftsprüfer-Kollegen in der Hotelbar besprechen, auch wenn dies sicher kein Beispiel für eine besonders strukturierte Informationsübermittlung ist. Daher ist wichtig, dass der die Verhandlung führende M&A-Anwalt die Berichte sämtlicher an der Due Diligence-Prüfung beteiligten Spezialisten sorgfältig durcharbeitet und diesen dann auch Rückfragen stellt.

Xecutives.net: Ihr Kollege Dr. Jens Steger beantwortet im Interview Fragen in Bezug auf das Wettbewerbs- und Kartellrecht. Es spielt auch bei Ihnen in M&A-Angelegenheiten eine grosse Rolle. Nicht selten müssen M&A-Projekte mehrmals unterbrochen werden, da immer wieder wettbewerbs- und kartellrechtliche Fragen geklärt werden müssen. Wie geht man damit um und wo lauern auch hier die Chancen und Risiken?

Steffen Dietz: Bei grösseren Transaktionen spielt das Kartellrecht in der Tat eine entscheidende Rolle. So können zu erwartende Kartellprobleme etwa dazu führen, dass ein ins Auge genommener Bieter frühzeitig aus dem Prozess ausscheidet. Häufig ist die Notwendigkeit der Kartellfreigabe auch der einzige Grund für eine Trennung zwischen Signing und Closing, da andernfalls die Transaktion auch bereits bei oder unmittelbar nach Unterzeichnung des Kaufvertrages vollzogen werden könnte. Unter Berücksichtigung der vom Verkäufer, dem Käufer und der Zielgesellschaft erzielten Umsätzen ist daher zu ermitteln, ob die Transaktion in den relevanten Jurisdiktionen klar unter die fusionskontrollrechtlichen Bagatellschwellen fällt. Falls dies nicht sicher der Fall ist, so muss der Sachverhalt auf jeden Fall von einem Kartellrechtsspezialisten geprüft werden.

Zu beachten ist auch, dass die Anforderungen des allgemeinen Kartellrechts im M&A Prozess bis zum Vollzug der Transaktion uneingeschränkt zu beachten sind. Wenn und soweit diese etwa die Offenlegung von Kalkulationsgrundlagen der eigenen Marktpreise an Wettbewerber untersagen, so wird diese nicht allein dadurch zulässig, weil man sich in einem Verkaufsprozess befindet. Auch nach Vertragsschluss müssen die beteiligten Unternehmen bis zum Vollzug so agieren, als wären sie komplett unabhängige Wettbewerber und dürfen nur sehr beschränkt Informationen austauschen und Integrationshandlungen allenfalls vorbereiten, aber nicht durchführen.

Xecutives.net: Sie hatten schon häufiger den Begriff „Due Diligence“ erwähnt. Dabei geht es darum, herauszufinden und zu eruieren, welche Risiken möglicherweise in einem Deal inhärent sind, was der Wert eines ins Auge gefassten Unternehmens ist etc. Es kommt vor, dass Risiken bspw. zu spät erkannt werden. Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem erst nach dem Kauf einer Firma klar wurde, dass noch Ausgleichszahlungen an diverse Agenten geleistet werden mussten, die für das gekaufte Unternehmen lange Jahre Kundenstämme aufgebaut hatten. Das kann sehr teuer werden. Wie stellen Sie sicher, dass es nicht zu solchen Überraschungen kommt?

Steffen Dietz: Due Diligence kann man als detaillierte Untersuchung, Prüfung und Bewertung von Investitionsobjekten als Grundlage für eine Investitionsentscheidung beschreiben. Sie hat sich bei Unternehmenskäufen zwischenzeitlich soweit als Marktstandard entwickelt, dass die Vornahme einer Akquisition ohne ausreichende Due Diligence-Prüfung als Sorgfaltspflichtverstoss der Käufergeschäftsführung angesehen werden kann.

Die wesentlichen Funktionen der Due Diligence können sehr schön an dem von Ihnen gebildeten Handelsvertreterbeispiel gezeigt werden. Da zwischen dem Verkäufer und dem Käufer im Regelfall (bei einem MBO an das Management des Verkäufers ist dies beispielsweise anders) ein erhebliches Informationsgefälle besteht, dient die Due Diligence dazu, dieses Informationsgefälle zumindest teilweise auszugleichen und es dem Käufer zu ermöglichen, die Risiken des zu kaufenden Unternehmens aus seiner Sicht zu ermitteln, sie hat also eine Risikoermittlungsfunktion.

Wichtig ist meines Erachtens der Hinweis „aus seiner Sicht“, da bestimmte Sachverhalte aus Verkäufersicht möglicherweise überhaupt kein Risiko darstellen, während der Käufer dies aufgrund seiner Pläne ganz anders sieht und umgekehrt. So mag der Verkäufer seine erfolgreichen Handelsvertreter in Italien ohnehin weiterbeschäftigen wollen, so dass sich mangels Beendigung des Handelsvertretervertrages die Frage eines Ausgleichsanspruchs überhaupt nicht stellt. Der Käufer hat hingegen einem eigenen Handelsvertreter für die betreffenden Produkte vielleicht bereits ein Alleinvertriebsrecht in Italien gegeben und wird daher den Handelsvertretern des Verkäufers kündigen müssen, was zu der Zahlung der Ausgleichsansprüche führt, die Sie erwähnt haben. Eine weitere Funktion der Due Diligence ist die Beweissicherung, da anhand der übermittelten Informationen der Ist-Zustand der Zielgesellschaft bei Transaktionsabschluss festgestellt und festgehalten werden kann.

Xecutives.net-Interview Dr. Steffen Dietz: Data Room

Xecutives.net: Ebenfalls als Funktion der Due Diligence genannt wird häufig die Gewährleistungsfunktion, wonach die Due Diligence dazu dient, die für den Anteilskaufvertrag notwendigen Garantien zu ermitteln.

Steffen Dietz: Ich halte dies in dieser Allgemeinheit nicht für richtig, soweit es sich auf Garantien bezieht, denn Garantien dienen regelmässig dazu, unbekannte Risiken abzusichern. Hat der Käufer im Rahmen seiner Due Diligence hingegen ein konkretes Risiko erkannt, so kann dies regelmässig nicht über eine Garantie, sondern entweder direkt über einen Kaufpreisabschlag oder aber über eine Freistellung für den konkreten Sachverhalt abgebildet werden.

Schliesslich dient die Due Diligence der Unterstützung der Unternehmensbewertung und Kaufpreisfindung. Auch wenn der Käufer im oben genannten Beispiel den Verkäufer im Zweifel nicht dazu wird bewegen können, ihn vom Risiko des Ausgleichsanspruchs der Handelsvertreter in Italien freizustellen, so muss er dieses Risiko zumindest in seiner eigenen Kalkulation des angemessenen bzw. für ihn noch vertretbaren Kaufpreises berücksichtigen.

Aus Sicht des Verkäufers dient die Due Diligence dazu, seine Haftung aus den Garantien zu beschränken und eine bessere Käuferauswahl zu ermöglichen. Wenn er etwa die Unterlagen, aus denen sich die Handelsvertreteransprüche ergeben, im Datenraum offenlegt und im Kaufvertrag vereinbart, dass der Käufer keine Ansprüche aus Sachverhalten hat, die im Rahmen der Due Diligence erkannt wurden oder hätten erkannt werden können, so muss er nicht damit rechnen, später für den Ausgleichsanspruch zu haften.

Gleichzeitig kann er, falls der Käufer eine Freistellung von diesem Risiko fordert, einen anderen Käufer bevorzugen, der diese Forderung nicht stellt, sei es weil es für diesen gar kein Risiko ist, da er die Handelsvertreter des Verkäufern unverändert weiterbeschäftigen möchte, sei es, weil er das bestehende Risiko schlicht nicht erkannt hat.

Dementsprechend ist die Möglichkeit und der Umfang dieser sogenannten Offenlegung (Due Diligence-Disclosure) häufig ein heiss umstrittener Verhandlungspunkt, zu dem es aber auch für beide Seiten akzeptable Lösungen gibt (sogenanntes Fair Disclosure-Wording).

Xecutives.net: Solche Due Diligence-Verfahren laufen heute oft mit sogenannten virtuellen Datenräumen („Data Rooms“) ab, worin die Unterlagen für einen begrenzten Zeitraum für dazu berechtigte Personen zur Verfügung gestellt werden. Man kann diese Unterlagen dann auf einer Internetseite sichten und sich ein Bild der Situation und Verfassung eines Unternehmens machen. Teilweise besteht auch die Möglichkeit des Speicherns und Ausdruckens der Informationen. Was spricht für diese Vorgehensweise und wo liegen aber auch die Risiken?

Steffen Dietz: In der Tat haben die virtuellen Datenräume die früheren physischen Datenräume, welche beim Verkäufer oder einem Berater eingerichtet wurden, nahezu komplett abgelöst. Aus Käufersicht sprechen der Wegfall der Reise- und Übernachtungskosten für die mit der Due Diligence beschäftigten Anwälte, die Möglichkeit, schnell einen weit entfernten Spezialisten hinzuzuziehen und die häufig gegebene Möglichkeit des Ausdruckens von Informationen für die virtuellen Datenräume.

Auch ist zu beachten, dass Due Diligence eine anstrengende und naturgemäss zuweilen langweilige Tätigkeit ist, bei der die Aufmerksamkeit automatisch nach einigen Stunden nachlässt. So lange es nicht möglich ist, diesen Prüfungsprozess ohnehin umfassend intelligenten Maschinen zu überlassen, so ist es sehr sinnvoll, wenn der Bearbeiter sich den Ablauf der Due Diligence selbst einteilt und nach einigen Stunden hiervon jeweils einmal Pause macht und sich mit anderen Projekten beschäftigen kann. Schliesslich besteht im eigenen Büro die Möglichkeit, den vorgelegten Vertrag schnell mit vergleichbaren Verträgen aus anderen Projekten abzugleichen und Rechtsfragen zu lösen, statt in einem physischen Datenraum auf sehr eingeschränkte Recherchemöglichkeiten angewiesen zu sein.

Ein wesentlicher Vorteil aus Verkäufersicht ist es zunächst, dass die Kosten für die Anmietung von Konferenzräumen und die Betreuung und Beaufsichtigung der – die Due Diligence durchführenden – Berater wegfallen. Auch kann einer weit grösseren Zahl von potentiellen Interessenten gleichzeitig Zugang zum virtuellen Datenraum gewährt werden und es lässt sich sehr genau protokollieren, welcher Berater wann welches Dokument abgerufen hat.

Ausserdem kann die Vertraulichkeit bei einem virtuellen Datenraum viel besser gewahrt werden, während das blosse Erscheinen einer grossen Anzahl von Beratern beim Verkäufer zwangsläufig zu Fragen nach deren Funktion und Spekulationen darüber, dass hier offenbar etwas „im Gange ist“, führen wird. Schliesslich kann der virtuelle Datenraum dann 1:1 auf einen Datenträger übertragen und im Rahmen der Due Diligence-Disclosure verwandt werden.

Nachteilig aus Käufersicht ist es hingegen, dass virtuelle Datenräume den Verkäufer geradezu dazu einladen, die wichtigen Informationen unter einem Wust von unwichtigen Informationen zu verstecken. Dem kann man neben einer ersten Sichtung des Datenraums und Organisation der Due Diligence durch einen erfahrenen Berater bereits dadurch begegnen, dass man offenbar unwesentliche Verträge (z.B. Mietverträge über Kopierer oder Standardleasingverträge für PKWs unter einem bestimmten Schwellenwert) gleich gar nicht anfordert und diese bewusst ignoriert, wenn sie trotzdem eingestellt werden.

Auch besteht das Risiko, dass der jeweilige Bearbeiter vor dem Hintergrund, dass der virtuelle Datenraum ja 24/7 geöffnet ist, die vermeintlich unliebsame Due Diligence-Prüfung jeweils weit nach hinten schiebt und dann am Ende doch Zeitprobleme bekommt. Nachteilig ist es schliesslich, dass diejenigen physischen Datenräume, die beim Verkäufer oder der Zielgesellschaft eingerichtet wurden, es dem Käufer bzw. dessen Beratern oft ermöglicht haben, einen ersten generellen Eindruck von der Zielgesellschaft und deren Mitarbeitern (z.B. Dresscode, Offenheit der Mitarbeiter, Sprachkenntnisse etc.) zu bekommen, während der Käufer bei virtuellen Datenräumen hierzu auf organisierte Betriebsbesichtigungen und Management Presentations angewiesen ist, die ihm häufig ein sehr geschöntes Bild des Kaufobjekts vermitteln.

Xecutives.net: Was müssen sowohl der Käufer als auch der Verkäufer generell in Bezug auf solche Daten und Data Rooms beachten? Können Sie hierzu einige praxisrelevante Tipps geben?

Steffen Dietz: Aus Verkäufersicht gilt es zunächst zu entscheiden, wie der Due Diligence-Prozess organisiert wird. Also, welche Informationen welchem Interessentenkreis wann vorgelegt werden. Selbst wenn diese Vorgehensweise nicht bereits aus Kartellrechtsgründen geboten ist, etwa weil Preiskalkulationen nicht offengelegt werden dürfen, so ist es jedenfalls sinnvoll, kommerziell sehr wertvolle Informationen gegenüber sehr wenigen Bietern erst in einem späten Due Diligence-Prozess zu offenbaren.

Bestimmte potentiell sehr negative Informationen, etwa die Kündigung eines wichtigen Mitarbeiters oder etwa die angedrohte Geltendmachung hoher Schadensersatzansprüche, sollten nicht einfach kommentarlos in den Datenraum eingestellt werden. Hier ist es wichtig, dass der Verkäufer den Sachverhalt aufklärt und dem potentiellen Erwerber gemeinsam mit der negativen Information seine Sicht der Dinge darstellt; wobei natürlich sichergestellt werden muss, dass mit dieser Darstellung keine eigene Haftungsgrundlage geschaffen wird. Manchmal bietet es sich auch an, diese Informationen vorab mit dem Verhandlungsführer der Käuferseite persönlich zu besprechen, bevor die Unterlagen in den Datenraum eingestellt werden.

Schliesslich sollte der Verkäufer den Aufwand für die Errichtung und Bestückung eines virtuellen Datenraus nicht unterschätzen. Häufig ist es so, dass er hierbei gerade nicht wie gewohnt auf sein gesamtes Sekretariat und die Administration der Zielgesellschaft zurückgreifen kann, da diese noch nicht über die beabsichtigte Transaktion informiert werden sollen. Daher empfiehlt es sich, dass der Verkäufer frühzeitig mit einem professionellen Datenraumanbieter oder externen Berater zusammenarbeitet, der ihn hierbei unterstützt, um nicht als Geschäftsführer und Gesellschafter am Ende selbst alle Verträge scannen und hochladen zu müssen.

Aus Käufersicht besteht neben dem bereits erwähnten „Verstecken“ wichtiger Informationen unter Unwesentlichem das Risiko darin, dass der Verkäufer laufend neue Informationen einstellt und wesentliche Dokumente mit negativen Informationen ganz bewusst erst zum Ende der Due Diligence eingestellt werden, um dann noch als offengelegt zu gelten. Hier sollte der Käufer auf einem Schlussdatum bestehen (so genanntes „Data Room Freeze“), das zumindest einige Tage vor dem Vertragsschluss liegt, damit sichergestellt ist, dass die eingestellten Informationen auch noch ausreichend verarbeitet werden können.

Xecutives.net-Interview Dr. Steffen Dietz: Due Diligence

Xecutives.net: Will ein Investor eine Firma übernehmen, kaufen oder mit einem eigenen Unternehmen verbinden, so hört man hier und dort auch den Begriff „target“. Dieser Begriff ist im Grunde genommen eher eine feindliche Angelegenheit, denn auf Ziele, eben die targets, schiesst man ja in aller Regel. Wird bei Ihnen auch geschossen im Berufsalltag? Wie gehen Sie selber mit solchen Situationen um?

Steffen Dietz: Geschossen nicht, aber ich hatte einmal einen Fall, bei dem auf dem Konferenztisch einer Grosskanzlei am letzten Verhandlungstag zunächst zwei Messersätze ausgelegt wurden. Nachdem ich fragte, ob dies nun als gutes oder schlechtes Zeichen zu verstehen sei, wurde mir Ersteres bestätigt, was sich durch den anschliessend hereingebrachten Obstkorb erklärte, bei dessen Zubereitung man den Anwälten offenbar behilflich sein wollte (lacht).

Ganz zu Recht sprechen Sie aber die emotionale Seite bei M&A-Transaktionen an. Auch wenn dieser Aspekt deutlich weniger relevant ist, als etwa im Familien- oder Strafrecht, da es im M&A ja letztlich doch meist „nur um Geld“ geht, ist er jedoch nicht zu vernachlässigen. Gerade bei natürlichen Personen als Verkäufern stellt der Verkauf des Unternehmens, das vielleicht schon der Vater oder Grossvater aufgebaut hatte, eine der wichtigsten und emotionalsten Entscheidungen im Leben dar und ich habe hier durchaus schon die eine oder andere Träne fliessen sehen. Zu stark ist doch die Sorge um die Zukunft des Unternehmens, dessen Standort und Belegschaft. Ein Käufer sollte und muss dies absolut ernst nehmen und wird scheitern, wenn er diese Punkte ignoriert. Sie würden vermutlich Ihr eigenes über viele Jahre gebautes oder liebevoll renoviertes Haus auch nicht an einen Kaufinteressenten verkaufen möchten, der dieses gleich bei der Besichtigung schlecht redet, auch wenn er Ihnen vielleicht letztlich den höchsten Preis bietet.

Umgekehrt habe ich allerdings auch schon etliche Fälle erlebt, in denen die zunächst beschworenen hehren Grundsätze hinsichtlich Erhalt des Standorts, der Firma und der Mitarbeiterzahl dann doch sehr schnell über Bord geworfen wurden, nachdem der Interessent sein Angebot noch einmal deutlich erhöht hat. Ganz andere Punkte sind schliesslich noch beim Verkauf an einen Finanzinvestor zu beachten.

Xecutives.net: Sie haben es gerade erwähnt, neben dem Verkauf an strategische Investoren, sind sehr häufig auch Verkäufe an Finanzinvestoren zu beobachten. Wodurch unterscheiden sich beide und welche Auswirkungen hat dies auf die Transaktionen?

Steffen Dietz: Ein strategischer Investor ist ein meist bereits operativ tätiger Käufer, der mit dem Erwerb des Unternehmens sein eigenes geschäftspolitisches Ziel verfolgt, wie etwa die Erzielung von Synergien, den Erwerb von Know-how bzw. Patenten oder die Erschliessung eines neuen Marktes. Auch das Ausschalten eines lästigen Wettbewerbers, indem man diesen aufkauft, kann ein solches strategisches Ziel sein. Das erworbene Unternehmen soll anschliessend in das eigene Unternehmen integriert werden und dieses stärken. Der Weiterverkauf ist nicht beabsichtigt, das Ganze soll daher möglichst eine „Ehe fürs Leben“ werden.

Demgegenüber investiert der Finanzinvestor ganz bewusst nur in das Zielunternehmen. Als Ziel seiner Finanzanlage gilt die Absicht, dieses zu verbessern und nach einigen Jahren gewinnbringend wieder zu verkaufen. Er plant also von vornherein eine „Ehe auf Zeit“. Sein Ziel ist nicht die Stärkung seines eigenen Unternehmens, sondern die Erzielung einer möglichst hohen Rendite für seinen Investmentfonds und dessen Gesellschafter oder Begünstigten.

Übergänge sind allerdings denkbar, etwa wenn ein Finanzinvestor im Rahmen einer sogenannten „Buy and Build“-Strategie nach dem Kauf eines Unternehmens in einer Branche weitere Unternehmen in dieser Branche hinzuerwirbt, wobei er dann insoweit durchaus einem strategischen Investor ähnelt. Letztlich steht aber für den Finanzinvestor am Ende immer der bestmögliche Verkauf (Exit).

Der wesentliche Unterschied im Transaktionsablauf besteht darin, dass der Finanzinvestor im Vergleich zum strategischen Investor regelmässig über kein Management Know-How in der speziellen Branche verfügt und daher darauf angewiesen ist, dass bisherige Management an Bord zu halten. So erwerben Finanzinvestoren in den oben genannten Zahnarzt- und Tierklinikfällen etwa häufig nur Beteiligungen zwischen 60 und 80%. Der Klinikgründer kann nur verkaufen, wenn er sich verpflichtet, eine bestimmte Zeit weiterhin als Minderheitsgesellschafter, Geschäftsführer bzw. Arzt/Zahnarzt mit der Zielgesellschaft verbunden zu sein.

Die Dokumentation ist daher deutlich umfangreicher, als wenn 100% an einen strategischen Investor veräussert werden. So bedarf es etwa detaillierter Regelungen zu Mitverkaufsrechten, Mitverkaufspflichten, Put- und Call-Optionen in Fällen der vorzeitigen Beendigung der obengenannten Ehe auf Zeit aus wichtigem Grund (Good Leaver) oder ohne wichtigen Grund (Bad Leaver) etc. Aber dies ist komplex und wäre sicherlich genug Stoff für ein eigenes Interview…

Xecutives.net: Sehr geehrter Herr Dr. Dietz, ich bedanke mich für die interessanten Einblicke und die Zeit, die Sie sich für dieses Interview genommen haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren M&A-Mandaten und weiterhin alles Gute!

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