Gisela Kutter

Gisela Kutter

Gisela Kutter wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als sie zusammen mit anderen Damen von Ladies First entschied, Geld für ein neues Theater aufzubringen. 25 Mio. Franken wurden von Ladies First, einem Zusammenschluss vermögender und engagierter Damen aus Basel und der Region, gespendet, um das Schauspielhaus zu ermöglichen. Mit der von  ihr ins Leben gerufenen Stiftung CMDG (Centrum for the Millenium Development Goals) in Basel versucht Gisela Kutter seit vielen Jahren, die Milleniums Development Goals der UNO der Öffentlichkeit bekannt und auf die Bedeutung dieser Ziele aufmerksam zu machen. Im Interview mit Christian Dueblin spricht Gisela Kutter über kulturelles Engagement in Basel, seine Mäzene und Mäzeninnen, den Umgang der Stadt mit deren Nachkommen, über die Herausforderung und Ziele sowie Schwierigkeiten einer engagierten und nachhaltig ausgerichteten Stiftung und gibt Auskunft darüber, warum sie sich persönlich für nachhaltige Projekte einsetzen mag.

Dueblin: Sehr geehrte Frau Kutter, Ihr verstorbener Ehemann, Dr. Markus Kutter, war Historiker, Publizist, Unternehmer, hat die Werbeagentur GGK mit aufgebaut und er war sein Leben lang kulturell sehr aktiv. Sie sind ebenfalls sehr engagiert und waren vor allem auch aufgrund Ihres Engagements für den Bau des Schauspielhauses in Basel, das Sie und andere Damen von Ladies First, auf die wir noch zu sprechen kommen, ermöglicht haben, in den Medien präsent. Unlängst hat der Kanton Baselland sich in einer Volksabstimmung gegen Subventionen in Millionenhöhe für das Theater Basel ausgesprochen. Wie ist dieser Entscheid bei Ihnen persönlich angekommen?

Gisela Kutter: Ich habe das alles mitverfolgt. Ich gehe selber gerne ins Theater und bin über diesen Entscheid entsetzt. Ich glaube, dass der Kanton Baselland gar nicht verstanden hat, was Basel mit dem Theater Basel kulturell in den letzten Jahrzehnten erschaffen hat. Das Theater Basel gehört zu den besten Häusern in Europa und ist mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Vielleicht ist die Absage für ein weiteres finanzielles Engagement für das Theater Basel aber auch einfach ein Beispiel für eine Tendenz, die ich beobachte und die mir zu denken gibt. Mir fällt im Übrigen auf, dass viele Bürger in Baselland, aber auch im Kanton Basel-Stadt, die Dimension der kulturellen Angebote in Basel-Stadt nur teilweise verstehen. Viele Menschen sind sich über die (auch wirtschaftliche) Wirkung des kulturellen Engagements der Stadt Basel weit über die Grenzen der Stadt hinaus gar nicht im Klaren. Basel ist selber zu klein, um die Quantität an guter Kunst und Kultur alleine bewältigen zu können.

Was ich sage, um auf Ihre Frage zum Kanton Baselland und seiner Rolle rund um das Theater zurückzukommen, hat nicht nur mit Kunst und Kultur zu tun, die im Entscheid gegen eine weitere finanzielle Hilfe an das Theater Basel natürlich auch eine Rolle spielen. Meines Erachtens spielen auch viele Animositäten zwischen den beiden Halbkantonen eine Rolle, die schon seit 200 Jahren andauern. Sie haben in Ihrer Frage meinen Mann erwähnt, der sich sein Leben lang für einen Zusammenschluss der beiden Halbkantone eingesetzt hat. Mir ist immer wieder aufgefallen, wie viel Konkurrenzdenken und auch Eifersucht auf beiden Seiten herrscht, was schade ist, denn dabei gehen viele positive Energien in der Region verloren. Und seien wir ehrlich, beide Halbkantone sind enorm aufeinander angewiesen. Ein Alleingang einer dieser Halbkantone wäre eine Illusion. Finden wir jedoch schon im Kleinen keinen Konsens – wie etwa bei der Finanzierung des Theater Basel -, so werden wir auch im Grossen keinen finden. Das alles stimmt mich schon etwas traurig.

Dueblin: Sie haben mit anderen Damen von Ladies First ein Schauspielhaus ermöglicht und damit für Basel einen grossen kulturellen Beitrag an die Stadt geleistet. Es sind 25 Mio. Franken von Ladies First an das Schauspielhaus bezahlt worden. Was hat Sie damals bewegt, Ladies First ins Leben zu rufen, oder sagen wir, zu aktivieren, und selber Geld für dieses Projekt zu spenden?

Gisela Kutter: Dahinter steckt eine lange Entwicklung und alles hat sich mit der Zeit aufgrund von Gesprächen mit anderen engagierten Menschen ergeben. Damals, als Ladies First in der Öffentlichkeit auftrat, herrschte eine Zeit, in der die Börsen florierten und die Aktienkurse immer nach oben gingen und ich mir sagte, dass Unternehmen und finanzkräftige Personen einen Beitrag an das kulturelle Leben von Basel und an unsere Region leisten müssten. Mein Mann und ich haben uns über die diversen Projekte unterhalten, die nach dem Entscheid, die Komödie abzureissen, auf dem Tisch lagen. Die Zeit für eine Lösung drängte. Viele Männer liessen sich für das Thema Schauspielhaus nicht bewegen und somit traf ich den Entschluss, eben Frauen zu finden, die das Projekt unterstützten…

Dueblin: …Sie haben dann zum Telefonhörer gegriffen und einige finanzkräftige Damen ermuntert, ein paar Millionen zu spenden….

Gisela Kutter: (Lacht) Nein ganz so einfach war das nicht! Sie müssen sich vorstellen, mein Mann war eine bekannte Persönlichkeit in Basel, der mit vielen seiner Projekte auch aneckte und ich selber bin aus Deutschland. Das waren nicht wirklich die besten Voraussetzungen, ein solch grosses und auch umstrittenes Projekt wie das Schauspielhaus anzugehen. Als ich mich dann zu Wort meldete, meinte man, nun fange die Frau auch noch an, mitzumischen und alle verrückt zu machen (lacht). Ich machte damals gerade meine Ausbildung in Alexandertechnik fertig, hatte nach vier Jahren Ausbildung etwas mehr Zeit und das Thema Schauspielhaus war bei uns zu Hause allgegenwärtig. Es wurden viele Projekte entwickelt und vorgestellt; es zeichnete sich aber ab, dass keine Lösung gefunden werden konnte, die in so kurzer Zeit politisch durchsetzbar gewesen wäre. Für das Ganthaus, an dessen Stelle das neue Schauspielhaus heute steht, lag ein Projekt vom Architekten Rolf Gutmann auf dem Tisch. Die Sterne standen in der Folge gut. Ich sprach im Übrigen mit niemandem über meine Pläne, denn es hätte mir niemand geglaubt und das Projekt wäre nur allzuschnell von den Medien aufgenommen und zu einem Politikum geworden. Mein Mann kannte eine interessierte und sehr gut vernetzte Person, die kulturell sehr engagiert war, und vertraute ihr meine Idee an. Diese Person wiederum brachte eine weitere Person ins Spiel und plötzlich verlief alles sehr schnell, vergleichbar mit einer Lawine. Ich traf mich mit der ersten Dame von Ladies First und zusammen konnten wir weitere Damen für das Schauspielhaus gewinnen. So hat sich das alles zugetragen.

Dueblin: Hinter dem Schauspielhaus steht Ladies First, eine Gruppe von Damen, die Ihre Idee gut fanden und Geld spendeten. Wie muss man Ladies First verstehen? Könnte es sein, dass Ladies First in Zukunft wieder ein Projekt in die Hände nimmt und Geld gespendet wird oder war das mehr eine einmalige Aktion?

Gisela Kutter: Die Damen von Ladies First haben sich nie geoutet und ihre Namen sind nicht bekannt. So soll das auch bleiben. Es sind viele Namen auch von den Medien ins Spiel gebracht und viele Mutmassungen angestellt worden. Das war sehr interessant zu beobachten und es war spannend zu sehen, dass viele Damen, die mitgemacht haben, gar nie genannt worden sind und einige auch aus dem Kanton Baselland kommen. Die Ladies haben aufgrund des gemeinsamen Entscheids, sich nicht zu outen, einen wunderbaren Schutz. Sie möchten spenden, aber in der Öffentlichkeit nicht genannt werden. Das Schauspielhaus, ermöglicht durch Ladies First, war aber eine einmalige Geschichte, in der alles gepasst hat und die richtigen Menschen am selben Strick gezogen haben. Die Damen, die mitgemacht haben, wissen, dass sie vermögend und damit sehr privilegiert sind und alle wollen Nachhaltiges für die Gesellschaft tun. Die Damen haben alle nicht zum ersten Mal für grosse nachhaltige Projekte in die Tasche gegriffen. Über viele Spenden weiss man einfach nichts.

Dueblin: Basel ist bekannt dafür, dass viel Geld gespendet wird. In der Auseinandersetzung und im Gespräch mit bekannten Mäzenen und Mäzeninnen zeigt es sich immer wieder, wie grundsätzlich unterschiedlich die Motivationen sind, Geld für Kultur, Gemeinnütziges aber auch für unternehmerische Projekte zur Verfügung zu stellen. Dem einen geht es um Steuern sparen, dem anderen darum, sich ein Denkmal zu setzen und wieder andere wollen einfach nur kulturelle Akzente setzen – jeder auf seine eigene Art und Weise. Warum denken Sie persönlich, gibt es in Basel sehr viele grosszügige und spendenfreudige Menschen – mehr als in anderen Städten?

Gisela Kutter: Wie Sie in Ihrer Frage schon feststellen, ist das alles sehr subjektiv. Basel hat für mich eine Seele. Basel ist wie eine grosse Familie. Man streitet in einer Familie, liebt sich, man zieht sich an und stösst sich auch immer wieder ab. Diese Familie kann sehr spiessig sein – aber eben auch sehr grosszügig. Diese Diskrepanz – wie ich sie von keiner anderen Stadt kenne – ist einzigartig und zeichnet Basel aus. Man muss verbunden sein mit dieser Stadt und man muss sie mögen, um diese Seele erkennen zu können. Ich stelle fest, dass sehr viele Menschen Basel mögen und ein Teil dieser Familie sein wollen. Es besteht tatsächlich eine unerhörte Bereitschaft vieler, etwas für diese Stadt zu tun. Das hat nicht nur mit dem Spenden von Geld zu tun. Sie können das auch in Bezug auf die Basler Fasnacht erkennen, wo sich eine breite Bevölkerungsschicht auf eine Art und Weise kulturell betätigt, wie man das sonst nicht erlebt. Ich habe mit meinem verstorbenen Mann einmal versucht zu berechnen, wieviel Geld in Basel pro Jahr von Privatpersonen gespendet wird. Wir kamen damals auf rund 800 Mio. Franken. Das ist ein unglaublicher Betrag in einer Stadt mit gerade mal 200‘000 Einwohnern. Ich frage mich manchmal allerdings, ob Basel diese Dynamik und diese Einstellung des Geldspendens verlieren würde, wenn der Stadtkanton mit dem Landkanton verschmelzen würde. Vielleicht würde es noch besser werden; es bestünde aber wohl auch die Gefahr, dass dieses Familiengefühl verloren ginge, was sehr schade wäre. Sie müssen aber auch noch folgendes bedenken: Das offizielle Basel hat den Kontakt zu vielen Mäzenen und Mäzeninnen immer gesucht und gepflegt. Das ist sehr wichtig. Ich stelle jedoch fest, dass man den Nachkommen dieser Menschen keine Beachtung schenkt und im Umgang mit ihnen sehr nachlässig ist. Viele Kinder von bekannten reichen Persönlichkeiten leben heute im Ausland und haben oft nur noch wenig Kontakt zu Basel. Mir fällt auf, dass man sich mit diesen Nachkommen, die immerhin die Erben von grossen Vermögen sind, nicht auseinandersetzen will, was sehr schade ist. Basel täte gut daran, diese neue Generation von potentiellen Mäzenen und Mäzeninnen aktiv anzugehen und zu versuchen, sie für die Stadt und unsere Region zu gewinnen.

Dueblin: Mit der Gründung der Stiftung CMDG (Centrum for the Millenium Development Goals) in Basel haben Sie die Initiative ergriffen und Nachhaltiges geschaffen. Ziel der Stiftung ist es, die UNO-Ziele, die sogenannten Millenium Development Goals (MDG), einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Diese Ziele gehen von der Bekämpfung von Aids, bis zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und bis hin zur schulischen Bildung von Kindern. Auch ökologische Ziele sind unter den MDGs zu finden. Was hat Sie motiviert und veranlasst, diese Stiftung zu gründen und dafür auch einiges an Geld in die Hand zu nehmen?

Gisela Kutter: Ich muss an dieser Stelle kurz ausholen: Mich hat als Mensch, der kurz nach dem Krieg geboren wurde, der Umgang mit der Geschichte in Deutschland immer sehr beschäftigt. Schon als Kind hatte ich viele Fragen in Bezug auf den Krieg gestellt und man gab mir keine Antworten. Ich erinnere mich, dass ich als kleines Kind einen langen Zug von Menschen sah. Es handelte sich um sogenannte Spätheimkehrer. Das waren Soldaten, die nach ihrer Kriegsgefangenschaft wieder nach Deutschland zurückkamen. Mich beschäftigt dieses Bild dieser Soldaten auch heute noch sehr und ich habe mich mein Leben lang auch mit der Schuldfrage auseinandergesetzt. Auf viele Fragen, die ich damals als Kind gestellt hatte, habe ich erst in den letzten Jahren Antworten finden können und erst in den letzten Jahren wurde mir auch klar, dass vieles, was ich tue und unterstütze, mit dem Krieg zusammenhängt. Ich fühle mich für Vieles, was passiert ist auch indirekt mitverantwortlich und bin der Meinung, dass sich ein jeder nachhaltig auf dieser Welt verhalten sollte, so dass es nicht mehr zu solch schrecklichen Ereignissen kommt.

Ich komme nun auf Ihre Frage zur Stiftung CMDG zurück: Auch hier geht es mir darum, etwas Nachhaltiges zu tun. Ich hatte schon vor vielen Jahren Kontakt mit Frau Elisabeth Müller, der Geschäftsführerin von UNICEF Schweiz, und wir sprachen damals darüber, wie man neue Kinderhorte aufbauen könnte. Diese Kinderhorte wären ganz anders konzipiert gewesen, als wir sie heute gemeinhin kennen und nutzen. Es harzte dann jedoch bei der Umsetzung dieser eigentlich sehr guten Idee. In der Auseinandersetzung mit den Kinderhorten stiess ich immer wieder auf die MDGs. Ich stellte fest, dass es absurd ist, dass diese Ziele und Gebote im Jahr 2000 auf der Welt ausgerufen wurden, eigentlich für unsere Zeit sehr wichtig und angepasst sind, aber sie niemand wirklich kannte. Sprach ich in meinem Freundeskreis und mit Politikern über die Ziele, stellte ich immer mehr fest, dass man überhaupt nicht wusste, um was es eigentlich geht. Die Schweiz hat immerhin mit dem damaligen Bundesrat Adolf Ogi ganz intensiv an der Ausarbeitung dieser Ziele mitgewirkt. Sie wissen, mein Mann war Werber und mir war klar, dass man diese Ziele unmöglich erreichen kann, wenn die Menschen sie nicht kennen. Auch Kofi Annan hat schon sehr früh gesagt, dass die Staaten diese Ziele nur umsetzen könnten, wenn die Länder ihre Bevölkerung einbeziehen und informieren würden. Meine Idee war es also, etwas dazu beizutragen, diese Ziele der Bevölkerung näher zu bringen. Als ich schliesslich die Stiftung gründete, kam wenig später ein junges Mädchen zu mir. Sie war gerade mal 16 Jahre alt und wollte eine Arbeit über die MDGs schreiben. Ich gab ihr Unterlagen und wir sprachen lange zusammen am Telefon. Sie sagte mir in einem der Gespräche, dass diese Ziele so klar seien und man damit etwas anfangen könne. Im Austausch mit diesem Mädchen wurde mir klar, dass junge Menschen mit diesen Zielen keine Probleme haben und sich in Bezug auf diese Ziele auch engagieren wollen. Gleichzeitig stellte ich aber auch fest, dass für ältere Menschen diese Ziele viel zu schwer sind und sie sich mit ihnen auch nicht auseinandersetzen wollen.

Dueblin: Ein Problem im Umgang mit diesen Zielen könnte darin liegen, dass sie sehr weit gehen und wohl auch sehr schwierig zu erreichen sind, zumindest im Zeitrahmen, den sich die UNO für die Umsetzung der Ziele gesetzt hat.

Gisela Kutter: Die Ziele sind der heutigen Zeit angepasst und es mag sein, dass sie weit gehen. Mein Ideal bei der Arbeit im Umgang mit den MDGs war Frau Renée Ernst, die Beauftragte für die UN-Millenniumkampagne in Deutschland. Frau Ernst hat in Deutschland mit einer sehr engagierten Kampagne sehr viel erreicht und viel für die Verbreitung der Ziele beigetragen. Die offizielle Regierung hat ihre Aktivitäten lange Zeit sehr unterstützt und auch die UNO hat dafür Geld gesprochen. Vor wenigen Wochen hat mich Frau Ernst kontaktiert und mir mitgeteilt, dass ihr Büro aufgelöst werde. Ich war schockiert über diese Nachricht, denn die Kampagne war in Deutschland ein grosser Erfolg. Es wurde im Gespräch mit ihr klar, dass sich die westlichen Staaten mit diesen Zielsetzungen schwer tun. Es sind aber nicht die Menschen, die sich mit diesen Fragen nicht auseinandersetzen möchten. Es gibt offensichtlich Kräfte, die den Druck von unten, welche diese Ziele zweifelsohne erzeugen, nicht haben wollen. Die 8 Ziele mit ihren 21 Unterzielen scheinen gewisse Menschen und auch ganze Regierungen zu beunruhigen. Nun bat mich vor einiger Zeit eine Dame aus Somalia von „Tausend Frauen für den Frieden“ auf keinen Fall aufzuhören und mit der Stiftung durchzuhalten. Sie erklärte mir, dass es in Somalia sehr wichtig sei zu wissen, dass sich auch unsere westlichen Staaten um diese Ziele bemühten, denn nur so würde den Organisationen, die sich für die Durchsetzung der Ziele einsetzten, auch im eigenen Land Gehör verschafft und nur so sei es möglich, auf die Regierungen, die oft überhaupt kein Interesse an der Umsetzung dieser Ziele haben, Druck auszuüben. Für die Schweiz und die anderen Industrieländer bedeutet das, dass es also nicht nur darum geht, die Ziele umzusetzen, sondern anderen Menschen in ärmeren Ländern zu zeigen, dass diese Ziele für uns ebenfalls einen grossen Stellenwert haben. Es ist natürlich sehr schwer, diese Zusammenhänge einer breiteren Bevölkerung klar zu machen. Aber gerade das ist es, was wir mit der Stiftung CMDG versuchen.

Gisela Kutter mit Nationalrätin Pascale Bruderer (c) Gisela Kutter

Gisela Kutter mit Nationalrätin Pascale Bruderer (c) Gisela Kutter

Dueblin: Warum haben Sie sich damals bei der Gründung der Stiftung entschlossen, alle diese Ziele ins Auge zu fassen? Warum haben Sie nicht entschieden, sich einem Ziel anzunehmen und dieses in konzentrierter Form zu „pushen“? Warum ist es zudem nicht gelungen, internationale Firmen, die an vielen Zielen ein Interesse haben (müssten) und oft selber tätig sind, mit ins Boot zu holen?

Gisela Kutter: Das werde ich immer wieder gefragt. Grund dafür, dass sich die Stiftung CMDG nicht einfach nur einem Ziel widmen will, ist, dass es schon viele NGOs gibt, die sich diesen einzelnen Zielen widmen. Ich wollte mit der Stiftung keine weitere NGO schaffen und mit anderen NGOs in Konkurrenz treten, sondern versuchen, die Bevölkerung und die Politik in der Schweiz zu motivieren, tätig zu werden. Immerhin hat die Schweiz diese Ziele akzeptiert. Viele Menschen, die mit mir und dem CMDG zusammengearbeitet haben, haben sehr gute Inputs gebracht und Wesentliches geleistet. Das unternehmerische Denken jedoch fehlte, gerade bei Menschen, die jahrelang für internationale Organisationen gearbeitet haben. In Gremien wie der UNO wird oft Geld einfach zur Verfügung gestellt. Das Geld ist dann da und die Menschen können damit arbeiten. Im Vergleich zu vielen staatlichen und international tätigen Organisationen ist das CMDG nur eine kleine Stiftung und es ist wichtig, auch finanzielle Quellen zu finden und unternehmerisch zu denken. Im Nachhinein betrachtet, ist es uns leider nicht gelungen, internationale Firmen oder private Personen von unserem Projekt begeistern zu können, was ich heute sehr bedaure.

Dueblin: Mir kommt spontan Peter Brabeck von Nestlé in den Sinn, der sich unlängst, auch anlässlich des WEF in Davos, sehr dezidiert zu ökologischen Themen geäussert hat, so beispielsweise in Bezug auf den Umgang mit natürlichen Ressourcen wie Wasser. Diese Themen haben mit den Zielen der UNO zu tun.

Gisela Kutter: Das ist richtig. Es gibt viele Menschen auch aus international sehr erfolgreichen und mächtigen Unternehmen wie Nestlé, die sehr nachhaltig denken und offenbar erkennen, dass sie ihr Geld nicht in den Tod mitnehmen können. Oft sind diese Menschen und die Unternehmen aber schon tätig und sie haben kein Interesse, sich irgendwo anzuschliessen oder unterzuordnen. Es ist uns in den letzten Jahren aus diversen Gründen nicht gelungen, solche Menschen für unser Projekt zu gewinnen. Und es ist sicher so, dass es jemanden im Hintergrund braucht, der über die finanziellen Mittel verfügt, um gewisse Dinge auf dieser Welt zu bewegen. Da brauchen wir nicht zu diskutieren. Es geht aber nicht nur um Geld, das wichtig ist. Die Menschen, die mitmachen, müssen verstehen, wie wichtig diese Ziele sind und was sie für die Welt bedeuten. Würde mir heute jemand Geld geben, so würde ich das natürlich begrüssen. Es braucht dann aber immer noch die richtigen Leute, die mit Überzeugung arbeiten. Ich denke, dass es heute vor allem wichtig wäre, gute Kommunikationsfachleute für das Projekt gewinnen zu können.

Sie müssen aber noch etwas anderes bedenken, wenn wir über Menschen wie Peter Brabeck sprechen, um bei diesem Beispiel zu bleiben: Ich habe in den letzten Jahren sehr viele Gespräche mit Stiftungen, Organisationen und nachhaltig denkenden Menschen geführt. Kann man eine Person wie Brabeck für ein solches Projekt gewinnen, ist man schnell auch dem Eindruck ausgesetzt, es sei ja nun genügend Geld vorhanden und ein weiteres finanzielles Engagement sei nicht mehr nötig. Diesen Effekt darf man nicht unterschätzen und man kann auch vielen Menschen nicht übel nehmen, dass sie so denken und ihr Geld dann lieber einem anderen Projekt zukommen lassen, das sie für Spenden für geeigneter halten.

Dueblin: Sie haben in den letzten Jahren einiges erreichen können und haben in Basel erfolgreiche Milleniumstage organisiert, an die viele Politiker und Künstler eingeladen wurden. Was würden Sie sich für die CMDG in Zukunft wünschen? Was sollte passieren, damit diese Stiftung weiterhin funktionieren kann?

Gisela Kutter: Tatsächlich suche ich Menschen, welche die Stiftung übernehmen möchten. Ich habe vor einigen Tagen kommuniziert, dass ich sie verschenken möchte. Mir schwebt eine jüngere Person vor, die in der Wirtschaft und in der Politik gut vernetzt ist und sich der Stiftung mit neuem Elan als Präsident oder Präsidentin annimmt. Ich selber habe mich in dieser Position viele Jahre um die Stiftung gekümmert und fühle mich, das muss ich auch etwas eingestehen, etwas verbrannt. Es ist die Zeit gekommen, das Ruder an eine jüngere Person zu übergeben, die auch mit neuen Kommunikationsmitteln arbeitet und andere Menschen begeistern kann. Der Boden für diese Arbeit ist mit dem CMDG geschaffen. Wir haben sehr viel Vorarbeit geleistet, sind gut dokumentiert und verfügen natürlich auch über gute Kontakte. Es wäre sehr schade, wenn das alles nicht weiter genutzt würde. Natürlich würde ich, wenn dies gewünscht würde, die Stiftung weiterhin begleiten und meine Erfahrungen einbringen. Es geht mir zurzeit wie vielen Unternehmerinnen und Unternehmern, die das Zepter an eine jüngere Generation übergeben wollen. Dabei macht sich eine jede und ein jeder Gedanken darüber, wer eine Idee und ein Business Modell weiterführen und weiterentwickeln kann.

Dueblin: Sehr geehrte Frau Kutter, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen und Ihrer Stiftung weiterhin alles Gute und viel Erfolg!

(C) 2011 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.

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Links
Centre for the Millennium Development Goals

Die UNO Milleniums Kampagne