Patrik-Philipp Huber

Patrik-Philipp Huber

Patrik-Philipp Huber, Jahrgang 1970, leitet zusammen mit seinem Vater Felix W. Huber die Uhrenfabrikation Zeno-Watch Basel, ein familiengeführtes Unternehmen, dessen Grundstein Jules Godat 1868 in La Chaux-de-Fonds mit der Produktion von Taschenuhren für Eisenbahner legte. Der Astronom Johann Jakob Huber (geboren 1733 in Basel) ist nur einer von Patrik-Philipp Hubers Vorfahren, der sich mit der Uhrmacherkunst auseinandergesetzt hat. Felix und Patrik-Philipp Huber führen diese Tradition in der 10. und 11. Familien-Generation weiter. Zeno hat sich auf die Fertigung von klassischen mechanischen Armbanduhren, Fliegeruhren sowie grossen und übergrossen Uhren spezialisiert. 1922 wurde ZENO als eigenständige Marke registriert. Auch die Vakuum Taucheruhr „Compressor“ gehört zu den innovativen Leistungen der Uhrenfabrik. Im Interview mit Christian Dueblin spricht Patrik-Philipp Huber, gelernter Uhrmacher-Rhabilleur und Kaufmann sowie Connaisseur der Schweizer Uhrenindustrie, über die Entwicklung der Uhrenindustrie, über bedeutende technische Entwicklungsleistungen, die Rolle der Protestanten und Hugenotten für die Uhrmacherei, seinen Vorfahren, den Astronomen Johann Jakob Huber und die Quarzuhrkrise in der Schweiz, die der Uhrenindustrie in den Siebzigerjahren fast das Aus beschert hätte. Er beantwortet zudem Fragen zu Uhrenlegenden wie Nicolas Hayek und spricht über die Zukunftsaussichten einer interessanten und lange tot geglaubten Industriebranche.

Dueblin: Herr Huber, bevor wir generell auf die Uhrenindustrie und ihre Entwicklungen zu sprechen kommen, möchte ich Sie auf Ihre Berufsbezeichnung ansprechen. Sie leiten zusammen mit Ihrem Vater nicht nur eine sehr interessante Uhrenmarke – Zeno Watches Basel -, sondern sind Uhrmacher-Rhabilleur. Was ist ein Rhabilleur?

Patrik-Philipp Huber: Ein Uhrmacher-Rhabilleur lernt in der Ausbildung alles kennen, von der kleinsten Damenarmbanduhr bis zur Kirchturmuhr. Er befasst sich sowohl mit der Reparatur als auch mit dem Unterhalt von Uhren aller Art. Er lernt unterschiedlichste, alte und moderne Fertigungsverfahren kennen und ist später entweder in der Konstruktion oder Produktion neuer Uhrwerke tätig, auch in der Qualitätssicherung oder im Nachverkaufsservice und für die Überwachung maschineller Produktion von Uhren.

Dueblin: Sie und Ihre Familie sind nicht einfach nur zufällig in der Uhrenbranche tätig. Ihr Vater ist Uhrenmacher und leitet den Familienbetrieb Zeno seit über 40 Jahren. Die Spuren der Uhrmacherei gehen in Ihrer Familie weit zurück, sehr weit sogar.

Patrik-Philipp Huber: Ja, das ist ganz richtig. Zeno-Watches Basel ist ein Familienbetrieb. Viele meiner Vorfahren haben sich schon mit Uhren auseinandergesetzt. Ich gehöre zur 11. Generation, die im Uhrengeschäft tätig ist. Der erste Vorfahre meiner Familie kam Anfang des 18. Jahrhunderts aus Zürich nach Basel. Er war Schneider und sein Sohn wurde Goldschmied.

Dueblin: Es ist bezeichnend, dass sich die Uhrenindustrie, wie viele anderen Industrien auch, in vorwiegend protestantisch geprägten Gegenden entwickeln konnte. Ein wichtiger Ort in Bezug auf die Uhrengeschichte in der Schweiz ist Genf, das sehr calvinistisch geprägt war und heute noch ist. Wo sehen Sie Parallelen zwischen dem Protestantismus und dem Herstellen von Uhren?

Patrik-Philipp Huber: Das ist eine sehr interessante und schon fast philosophische Frage, die Sie stellen. Tatsächlich hat beides miteinander zu tun, mehr als man gemeinhin denken würde. Der Protestantismus gerade in Genf zur Zeit von Calvin hatte grosse Auswirkungen auf die Gesellschaft und ihre Verhaltensweisen. Der Glaube war auch bei den Protestanten wichtig und es gab eine Vielzahl von Vorschriften, die jeder befolgen musste. Wir erinnern uns an viele weltliche Sachen, die verboten wurden, so das Singen und Tanzen, aber auch das Tragen von Schmuck. Verglichen aber mit den Katholiken waren die Protestanten in Sachen Zeit flexibler und oft aufgeschlossener für Neues. Mussten die Katholiken ihren ganzen Tag nach den Regeln der Kirche richten und oft mehrere Male am Tag die Kirche besuchen, hatten die Protestanten mehr Zeit, sich ihrer Arbeit zu widmen. Viele Menschen aus anderen Ländern fanden gerade in protestantischen Gebieten der heutigen Schweiz Schutz und wurden, vor allem dann, wenn sie über interessantes Wissen verfügten, mit offenen Armen empfangen, so auch in Genf und in Basel. In beide Städte flüchteten – verfolgt von katholischen Machthabern und Regimen – auch die Hugenotten. Sie haben nicht nur die Grundsteine für eine grosse Uhrenindustrie gelegt, sondern sich auch in Sachen Chemie-, Farben- und Textilindustrie verdient gemacht.

Ich habe mir gerade in Bezug auf die Uhrenindustrie, deren Entwicklung in der Schweiz mir sehr interessant erscheint, oft über die Hugenotten und andere Verfolgte Gedanken gemacht. Diese Menschen konnten sich hier in der Schweiz besser entwickeln, als an anderen Orten, wo sie und ihre Familien oft mit dem Tod bedroht waren. Diese Situation war für manch einen sicher auch Anlass, sich vermehrt der Frage zu stellen, wer man eigentlich war und woher man kam. Für mich sind das Fragen, die einen sehr hohen qualitativen Wert aufweisen. Sinn für Qualität und Präzision war es denn auch, die es für das Erschaffen von Uhren bedurfte und sich im Resultat, dem Erschaffen sehr hochwertiger Uhren und der Umsetzung spannender Ideen, niederschlug.

Patrik Philipp Huber: typische Uhr von ZENO Watch Basel

Patrik Philipp Huber: typische Uhr von ZENO Watch Basel

Dueblin: Wir wissen, dass es schon im Altertum Uhren gab. Damals wurden Zeitmessinstrumente mit Sand oder mit Wasser betrieben. Wann erscheinen bei uns die ersten Uhren, so wie wir sie heute kennen?

Patrik-Philipp Huber: Gerade zwischen der Kirche und den Uhren gibt es einen ganz interessanten Zusammenhang, der massgeblich zur Entwicklung der Uhr beigetragen hat. Die ersten Uhren waren Kirchenuhren. Sie wurden bereits im 14. Jahrhundert gebaut und hatten die zentrale Funktion, die Menschen ans Gebet und an den Kirchgang zu erinnern. Solche Uhren mussten noch nicht sehr exakt laufen. Sie waren aber schon sehr ausgeklügelt und funktionierten mit Gewichten, die auf Zahnräder wirkten. Erst später, als die Astronomie an Bedeutung gewann, wurde es wichtig, die Zeit auch in Minuten und kurzen Intervallen messen zu können. Auch die Seefahrt und die Kriegswirtschaft haben später sehr viel zur Entwicklung der Uhr beigetragen. Für beide war die möglichst exakte Zeitbestimmung sehr wichtig.

Dueblin: Eine der grossen Herausforderungen bei der Entwicklung der Uhr war es, eine Stetigkeit in der Kraft herbeiführen zu können, die auf Zahnräder wirkt. Die Hemmung erst ermöglichte bei der Uhr einen regelmässigen Gang. Können Sie uns in Bezug auf diese technische Herausforderung einige Hintergrundinformationen geben?

Patrik-Philipp Huber: Das ist ganz interessant. Ein Vorfahre von mir, sein Name war Johann Jakob Huber, hat zu dieser Zeit die Anker-Hemmung massgeblich beeinflusst. Er war Astronom und hatte Probleme beim Messen von Längengraden. Er war ein Multiwissenschaftler und hatte, wie damals bei Gelehrten üblich, von allem eine Ahnung. Er ging später auch zu Friedrich II. nach Preussen und avancierte dort gar zum Hofastronomen. Er ging 1754/55 nach England und besuchte dort auch Thomas Mudge, ein grosses englisches Uhrmachergenie. Mit der Berechnung von Längengraden, die er in Greenwich machte, setzte er sich auch mit der Technik von Uhren auseinander. Er schilderte Mudge seine Ideen einer Hemmung.

Das Problem, das die Uhrenhersteller damals noch nicht in den Griff bekommen hatten, bestand, wie Sie sagen, darin, dass es für das Messen der genauen Zeit eine konstante Kraft brauchte, die auf Zahnräder wirken konnte. Bei Uhren mit Federn war es sehr schwierig, eine konstante Kraft erzielen zu können. Je mehr sich die Feder entspannte, desto schwächer wurden die Kräfte, die von ihr ausgingen. Mein Vorfahre fand eine Lösung, eine Art Hemmung, wie sie auch heute noch in den modernen mechanischen Uhren zu finden ist. Eine Uhr mit „Hemmung mit konstanter Kraft“ von Johann Jakob Huber kann heute in der Abteilung Uhren im Kirschgarten-Museum in Basel bestaunt werden. Die Uhr entspricht jedoch technisch gesehen nicht ganz dem, was angeschrieben ist. Die Idee war noch nicht ganz reif. Erst später wurde in England die Anker-Hemmung entwickelt, aufgebaut auf Kenntnissen auch meines Vorfahren. Seine Idee wurde von Uhrmachern wesentlich reduziert und entwickelt und es entstand die Anker-Hemmung. Sie besteht im Wesentlichen aus dem Anker, dem Ankerrad und der Hebelscheibe. Die Schweizer Uhrenmacher kopierten diese Idee, setzten aber viel hochwertigere Materialien ein, als das damals die Engländer taten. In Schweizer Uhren von damals gab es schon Rubinlager. Das führte dazu, dass Schweizer Uhren als von sehr hoher Qualität und sehr präzise betrachtet wurden.

Dueblin: Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kommt es auf der ganzen Welt zu einem riesigen Uhrenboom, von dem auch die Schweiz massgeblich profitierte. Wie lässt sich dieser Boom erklären?

Patrik-Philipp Huber: Viele Menschen, die es sich leisten konnten, fingen damals an zu reisen und wollten eine Uhr auf ihre Reise mitnehmen. Viele dieser Menschen, die sich in fremde und abgelegene Gegenden auf der Welt getrauten, waren in den Medien, die ihre Abenteuer schnell verbreiteten. Es gibt viele Zeitungsberichte, auf denen beispielsweise Engländer zu sehen sind, die eine Rolex-Uhr tragen. Die Zeitungen haben somit nicht nur die Abenteurer und fremde Länder, sondern auch Uhren einem grossen Publikum näher gebracht und Bedürfnisse geweckt. Die Uhren waren nicht nur schön, sondern auch sehr praktisch. Die Nachfrage stieg enorm und viele Uhrenunternehmen wurden damals gegründet, so beispielsweise auch Zeno. Die Marke Zeno wurde zwar erst 1922 registriert. Sie geht aber zurück auf den Uhrenmacher Jules Godat, der 1868 die Firma Godat & Co in La Chaux-de-Fonds gründete und vor allem Taschenuhren herstellte, für die es eine grosse weltweite Nachfrage gab, weil sie für den Transport und den täglichen Gebrauch sehr geeignet waren.

Dueblin: Was passierte nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem in Bezug auf die Konkurrenz aus Japan, die die Schweiz Mitte der Siebzigerjahre mit voller Wucht zu spüren bekam?

Patrik-Philipp Huber: Nach dem Zweiten Weltkrieg fingen die Japaner an, Uhren auch aus der Schweiz zu kopieren. Die Japaner schauten schon damals auf eine grosse Uhrenherstellergeschichte zurück. Sie haben aber nicht nur kopiert, sondern die Technik auch sehr schnell weiterentwickelt. Die Gründung von Seiko geht auf das Jahr 1881 zurück. Der Uhrentyp Teico 5 aus Japan darf als die Uhr betrachtet werden, die der Schweizer Uhrenindustrie schliesslich fast den Todesstoss versetzt hat. Longines, Omega und Zenit waren bekannte Marken, mit denen die Unternehmen auch Chronometer-Wettbewerbe gewannen. Sie waren sehr teuer und sehr aufwändig gemacht. Dann kamen die Japaner mit der Teico 5, die weniger kostete und technisch auf sehr hohem Niveau war, und zeigten an Chronometer-Wettbewerben auf, dass es auch ganz anders geht. Es kam im Verlaufe der Siebzigerjahre in der Schweizer Uhrenindustrie zu einer grossen Depression. In Bezug auf das Aussehen waren die Schweizer Uhren den Japanern überlegen. Die Japaner aber stellten sehr präzise Uhren her.

Dueblin: Wie steht es mit der LCD-Anzeige und den Quarzuhren, die die Uhrenwelt verändern sollten?

Patrik-Philipp Huber: Die LCD-Anzeige ist damals von der Firma Hoffmann La-Roche erfunden worden, von Otto Lehmann, der sich als Physiker mit Flüssigkristallen beschäftigte. Die Schweiz hat es aber nicht hinbekommen, diese gute Idee auch industriell umzusetzen. Die Quarzuhr kam Ende der Siebzigerjahre. Ihre Technologie ist in der Schweiz entwickelt worden, sie erfuhr ihren Durchbruch aber ebenfalls nicht in der Schweiz, sondern im Ausland. Es brauchte für diese Art Uhren keine Zulieferer mehr für beispielsweise Zahnräder oder Regleusen. Sehr viele Zulieferbetriebe gingen in der Folge ein und verschwanden für immer von der Bildfläche. Warum soll jemand eine teure mechanische Uhr aus der Schweiz kaufen, wenn sich die Zeit viel präziser auf einer modernen Quarzuhr ablesen lässt? Diese Frage stellte die Schweizer Uhrenindustrie vor unerhörte Probleme.

Dueblin: Wie muss man sich eine Quarzuhr als Laie vorstellen, sprich was ist grundsätzlich anders als bei einer mechanischen Uhr?

Patrik-Philipp Huber: Was früher bei alten Uhren das Gewicht war, später die Feder, wurde bei der Quarzuhr durch eine Batterie abgelöst. Alte Uhren haben einen Pendel, der schwingt. Die Quarzuhr hat einen Quarz in sich, der schwingt. Wir sprechen von sehr hohen Schwingungen. Die Erhöhung der Frequenz geht mit einer exakteren Bestimmbarkeit der Zeit einher. Die Präzision von Uhren konnte mit dieser Technik enorm verbessert werden. Je schneller eine Uhr läuft, je höher also die Schwingungen sind, die sie antreibt, desto präziser kann sie laufen. Das hat aber auch zur Folge, dass sie sich schneller abnützt, wenn man die Schwingung mechanisch herbeiführt. Auf dieser Schiene haben sich die Schweizer Uhrenhersteller bewegt und mit allen Mitteln versucht, durch mechanische Schwingungen präzisere Uhren herstellen zu können, mit viel mikromechanischem Aufwand. Eine schnell laufende Uhr verschleisst aber auch sehr schnell, weil sie sich schneller abnützt, ähnlich einem Autoreifen, der sich bei hohen Geschwindigkeiten schneller abnutzt. Die Quarzuhr hingegen nützt sich nie ab. Dazu kommt das Aussehen der neuen Uhren und ihre technischen Möglichkeiten und Formen von Spielerei. Das Interesse an herkömmlichen Uhren, wie sie die Schweiz bis zu diesem Zeitpunkt hergestellt hatte, ging verloren. Der Fokus richtete sich auf die neuen japanischen Wunderwerke der Technik.

Dueblin: Nicolas Hayek, ein gebürtiger Libanese, half der Schweizer Uhrenindustrie wieder auf die Sprünge. Wie schätzen Sie als Uhrenfachmann seine Arbeit und Leistungen ein?

Patrik-Philipp Huber: Es ist sicher so, dass Hayek ab den Achtzigerjahren für rund 30 Jahre die wichtigste Person im Schweizer Uhrenbereich wird. Es wäre falsch zu sagen, dass Hayek als Einzelperson die ganze Uhrenindustrie gerettet hat. Aber er war sicher die Person, die sich als Einzelperson durchsetzen konnte und die für die anstehenden wichtigen Veränderungen nötigen Instrumente kannte. Die Uhrenindustrie wurde aber vor allem von den Banken zu Lösungen gedrängt, die ihr Geld, das in der Uhrenindustrie lag, nicht endgültig verlieren wollten. Die Banken, die damals schon global unterwegs waren, erkannten, dass die Uhrenindustrie ihre Denkweise verändern musste. Sie hielten der Uhrenindustrie, das darf man so sagen, das Messer an den Hals und forderten Lösungen. Die Banken waren in Sachen Management der Uhrenindustrie weit voraus. In der Folge trafen verschiedene Manager- und Unternehmergenerationen aufeinander, was natürlich, wie man sich vorstellen kann, viel Reibung verursachte. Es gab viele einzelne Uhrenmarken, diese waren aber nur wenig miteinander verknüpft. Jeder ging seine eigenen Wege und hatte seine eigenen Ideen, wie es weitergehen sollte oder auch nicht. Irgendwann wurde der Branche klar, dass diese Voraussetzung nicht erfolgreich sein konnte. Wenn ein Problem gelöst werden muss, müssen rasch Entscheide getroffen werden. Hayek gehörte sicher der modernen Variante eines Managers an und er hatte das richtige Gespür, aber auch die Durchsetzungskraft, die nötig war, um Veränderungen zu bewirken und auch Banken für sich zu gewinnen. Er war ein Visionär. Er hat andere versucht zu überzeugen, sehr erfolgreich.

Dueblin: Was hat Nicolas Hayek technisch hervorgebracht, was es nicht schon gab?

Patrik-Philipp Huber: Hier gilt es sicher auch das Unternehmen Eterna zu nennen, das unlängst von den Chinesen gekauft worden ist.  Mit dem Model Delirium schaffte es das Unternehmen, eine sehr dünne Uhr herzustellen, die weltweit für Aufmerksamkeit sorgte. Das Unternehmen baute das Uhrwerk in den Boden des Gehäuses ein, was dann auch Hayek mit der Swatch machte. Diese Uhren bedurften weniger Teile und waren damit auch viel günstiger herstellbar. Ernst Thomke und sein Team, die Erfinder der Swatch, schafften es, eine sehr gute Uhr zu produzieren, die nur noch aus rund 51 Teilen bestand und somit im Gegensatz zu herkömmlichen Uhren, die oft aus über 80 Teilen bestanden, viel günstiger hergestellt werden konnte.

Dueblin: Es sind aber nicht nur die technischen Entwicklungen, die zu diesem grossen Erfolg der Schweizer Uhrenindustrie geführt haben, wie ihn wohl niemand voraussehen konnte. Was hat sonst noch dazu geführt, dass die Schweiz und ihre Uhrenindustrie sich wieder erholen konnten?

Patrik-Philipp Huber: Hier gilt es auch wieder Nicolas Hayek zu nennen. Er machte damals etwas sehr Interessantes. Er hat als Hersteller das Marketing für seine Uhren selber übernommen. Das gab es so vorher nicht, oder zumindest nicht so ausgeprägt. Die Hersteller verfolgten in der Regel sehr konservative Marketingmethoden. Sie stellten in der Schweiz Uhren her und arbeiteten mit Händlern und Grossisten zusammen. Diese waren für die Werbung und das Marketing zuständig und machten das halt so, wie es grade nötig und angezeigt war, vielleicht oft auch etwas halbherzig. Hayek erkannte, dass Werbung und Marketing ebenso wichtig waren wie die Technik und liess sie zentral steuern, vom Hersteller aus. Er ist auch nicht alle Länder gleichzeitig angegangen, sondern hat sich zunächst mal auf die USA konzentriert und sich dabei wohl gedacht, dass, wenn es dort mit seinem Konzept läuft, es auch an anderen Orten aufgehen musste.

Patrik Philipp Huber: ZENO Watch Basel Uhrenwerk

Patrik Philipp Huber: ZENO Watch Basel Uhrenwerk

Dueblin: Wie schätzen Sie persönlich die Zukunft der Schweizer Uhrenindustrie ein?

Patrik-Philipp Huber: Es geht immer rauf und runter, wie wir gesehen haben und so wird das auch in Zukunft sein. Das Interesse für mechanische Uhren wird immer da sein. Es werden, ähnlich wie beim Interesse für alte Autos, immer Menschen Freude an der Technik haben, gerade Menschen, die nostalgisch angehaucht sind. Das sehe ich durchaus positiv. Ich zähle mich auch zu diesen Menschen. Immer mehr Konsumenten von Uhren werden aber auch aufgrund von mangelhafter Qualität enttäuscht werden. Das gilt vor allem für den After Sales-Bereich. Zur guten Qualität gehört auch ein speditiver und guter Unterhalt, den die Uhrenindustrie bieten können sollte. Das ist leider nicht der Fall und das gilt nicht nur in Bezug auf Hersteller von Uhren aus der Schweiz.

Es gibt viele Menschen, die eine teure Uhr kaufen und nach 5 Jahren ernüchtert feststellen müssen, dass sie ihre Uhr nun warten müssen, was oft mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Eine Revision einer teuer erstandenen Uhr kann durchaus 10‘000 Franken und mehr kosten. Oft dauern diese Wartungs- und Reparaturarbeiten sehr lange und nicht selten findet der Kunde gar niemanden, der diese Arbeiten machen könnte. Wohin gehen Sie als Kunde einer teuren Uhr, wenn Sie beispielsweise in den Arabischen Emiraten oder in China wohnen und einen guten Service suchen? Sie werden den Uhrenmacher, der das Fach-Know-how und dann auch gleich noch die Ersatzteile hat, die es braucht, nicht einfach gleich um die Ecke finden. Ich denke, dass diese Situation, die sich wohl in den nächsten Jahren nicht ändern lässt, zu einer Stagnation führen könnte und es ist durchaus denkbar, dass sich Menschen wieder vermehrt Quarzuhren zuwenden werden, die in Sachen Reparatur und Wartung viel einfacher und günstiger sind.

Dueblin: Sehen Sie technische Entwicklungen zwischen der Uhrenindustrie und etwa der Smartphone-Industrie, die neue Märkte öffnen könnten?

Patrik-Philipp Huber: Es sind in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht worden in Sachen Smartphones und iPhones. Diese Geräte werden die Uhr aber nicht ersetzen können. Man hat in Bezug auf Uhren in der Regel nicht nur funktionelle, sondern auch ästhetische Ansprüche. Schliesslich geht es oft auch um Prestige. All das kann nicht einfach mit einem neuen technischen Gerät kompensiert werden. Es ist auch schwer vorstellbar, dass Tablets oder ähnliche Geräte einmal mit Diamanten geschmückt oder aus teurem Edelmetall hergestellt werden. Die Uhr ist nach wie vor in der Gesellschaft ein Differenzierungsinstrument, mit dem sich Menschen von anderen Menschen auch abheben möchten. Das ist in asiatischen und arabischen Ländern der Normalfall. In der Regel sind Menschen, die keine teure Uhr besitzen in solchen Ländern auch gar nicht neidisch auf ihre Vorgesetzten, die alle eine teurere Uhr tragen. Es gehört einfach zum guten Ton und Stil, eine seiner Stellung entsprechende Uhr zu besitzen. Die Uhr ist ein Schmuckstück, das weitherum akzeptiert ist. Ganz anders verhält es sich bei teuren Ohrringen oder teuren Diademen, mit denen man sich in der Öffentlichkeit nicht einfach so sehen lassen kann.

Ich denke nicht, dass es neue technische Revolutionen geben wird, die die Uhr als etwas anderes erscheinen lassen, als sie heute ist. Ich denke aber, dass gute Qualitätsuhren weiterhin gefragt sein werden. Es wäre aber anmassend zu denken, dass jährliche Wachstumsraten von 10 bis 20 Prozent, oder sogar mehr, der Normalfall bleiben sollte. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass es immer auch abwärts geht, wenn es aufwärts gegangen ist.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Huber, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen und Zeno weiterhin alles Gute und viel Erfolg!

(C) 2013 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.

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