Samuel S. Weber, Jahrgang 1987, studierte an der Universität Basel Betriebswirtschaft und an der Universität St. Gallen Management. Der von ihm absolvierte Master-Studiengang in «Strategy and International Management» (SIM-HSG) belegte 2020 im Ranking der internationalen Wirtschaftszeitung «Financial Times» zum zehnten Mal in Folge den ersten Platz – weltweit. Zudem vertiefte Samuel S. Weber seine Studienerfahrung mit zahlreichen Praktika, darunter im Investment Banking und der Beratung.
Schon im Bachelor-Studium entwickelte Samuel S. Weber ein starkes Interesse für Value Investing. Sein Einstieg in dieses Thema fand er mit dem Buch «The Intelligent Investor» von Benjamin Graham. Er fand heraus, dass es weltweit nur sehr wenige «echte» Value Investoren gibt und machte sich direkt nach dem Studium als unabhängiger Vermögensverwalter mit ausschliesslichem Fokus auf das wertorientierte Investieren selbständig. Er hatte das Glück, in dieser Berufswahl schon früh von mehreren Privatpersonen tatkräftig unterstützt zu werden. Dieser Kundenkreis erweiterte sich mit der Zeit und umfasst heute auch Firmen und Stiftungen. Im Jahr 2018 gründete Samuel S. Weber dann die SW Kapitalpartner GmbH, die für Privatpersonen, Firmen und Stiftungen Vermögen verwaltet und Kapital für unternehmerische Investitionen einsetzt.
Im Interview mit Xecutives.net beantwortet der Finanzspezialist und Betriebswirt Samuel S. Weber Fragen zum Thema Geld. Er zeigt auf, dass Geld schon vor 100 Jahren eine grosse Rolle gespielt hat und, dass damals kein Geldbetrag der Welt ausgereicht hätte, auch nicht das Geld sehr reicher Menschen, den Wohlstand kaufen zu können, den wir heute, oftmals ohne es zu bemerken, als selbstverständlich betrachten. Samuel S. Weber geht auf Fragen der Anlage von Geld ein und beleuchtet nachhaltige Geldanlagen, das Investment in Gold und das Auseinanderdriften der Finanz- und Realwirtschaft.
Xecutives.net: Herr Weber, Sie sind Betriebswirtschafter, haben in Basel und St. Gallen studiert und setzen sich intensiv mit wirtschaftlichen Vorgängen auseinander. Auch helfen sie Menschen und Unternehmen, ihr Geld zu investieren und anzulegen. Bevor wir hier in die Details von Geldanlagen einsteigen, möchte ich Sie fragen, wie das in der Vergangenheit gelaufen ist. Gehen wir mal 100 Jahre zurück. Was haben Menschen damals, die Geld hatten, mit ihrem Geld gemacht? War die Anlage von Vermögen schon damals ein Thema und wie ging man dabei vor?
Samuel S. Weber: Die modernen Finanzkonzepte – Sparen und Investieren – sind noch sehr jung. So sind Pensionierung, private Ersparnisse, Indexfonds, Hedge-Fonds, Konsumentenschulden (u.a. Kreditkartenschulden und Hypotheken) neuartige Konzepte, die meist noch keine zwei Generationen alt sind und erst nach dem zweiten Weltkrieg in Erscheinung traten.
Trotzdem war Geld auch vor 100 Jahren (und lange davor) ein Thema. Die erste Geldwährung gab es wohl bei König Alyattes von Lydien – in der heutigen Türkei – vor mehr als 2’500 Jahren. Vor ziemlich genau 100 Jahren (1919) schrieb John Maynard Keynes das Buch „Krieg und Frieden“, in welchem er die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles untersuchte und davor warnte, Deutschland zu hohe Reparationszahlungen aufzubürden – eine prophetische Warnung, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte. 1920 bis 1937 hat er dann an der Universität Cambridge gelehrt und seine „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ verfasst, die bis heute das Denken von vielen der weltbesten Makroökonomen beeinflusst. Sie sehen, Geld war bereits vor 100 Jahren ein Thema, das die Gemüter bewegte.
Xecutives.net: Was ist denn eigentlich Geld?
Samuel S. Weber: Geld ist eine rein monetäre Einheit, die man weder essen noch trinken kann. Es hat nur dann einen Wert, wenn man es gegen etwas Wertvolles eintauschen kann. Und da hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten einiges getan. Seit Beginn der industriellen Revolution 1820 hat sich das reale Bruttoweltprodukt verhundertfacht, seit Beginn der Aufklärung im 18. Jahrhundert sogar verzweihundertfacht. Dabei vervielfachte sich auch das reale Bruttoweltprodukt pro Kopf, wenn auch – wegen des hohen Bevölkerungswachstums – nicht ganz so stark wie das reale Bruttoweltprodukt insgesamt. Vor dem 18. Jahrhundert stagnierten diese Einkommen während vielen Jahrtausenden.
Tatsächlich aber unterschätzen diese beeindruckenden Zahlen den Wohlstandsgewinn massiv. Das Einkommen wird nämlich in Geldeinheiten gemessen; Qualität und Vielfalt des Güter- und Dienstleistungsangebots werden dabei ignoriert. 1776 hat Adam Smith das Werk „Wohlstand der Nationen“ geschrieben und die Spezialisierung, Arbeitsteilung und Tauschgeschäfte als Schlüsseltreiber für die Schaffung von Wohlstand identifiziert. Netzwerke von Menschen entwickeln durch Wissen und Kooperation laufend bessere und neue Produkte und Dienstleistungen; mit der Folge, dass die Qualität und Vielfalt der heute verfügbaren Güter und Dienstleistungen massiv angestiegen sind. Kein Geldbetrag der Welt hätte vor 100 Jahren den Wohlstand kaufen können, den wir heute, oftmals ohne es zu bemerken, als selbstverständlich ansehen.
Mit diesem Hintergrundwissen kann ich Ihre Fragen einfach beantworten: Auch schon damals hatten die Menschen Geld, allerdings bei weitem nicht genug. Sie lebten von der Hand in den Mund und gaben ihr gesamtes Einkommen sofort aus. Das lag daran, dass der ökonomische Entwicklungsprozess noch nicht so weit fortgeschritten war. Es gab schon damals sehr reiche Leute. Sie konnten sich aber trotz ihrem hohen nominellen Vermögen nicht annähernd den heutigen Lebensstandard leisten. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs gab es auch viele Investitionsmöglichkeiten (u.a. in Transport und Industrie), die durch Bankleute wie z.B. James Pierpont Morgan und ihrer vermögenden Klientel wahrgenommen wurden.
Xecutives.net: Wir sprechen von einer Zeit, als grosse Unternehmer auch in der Schweiz tätig waren, allen voran Industrielle in St. Gallen, Basel und Winterthur. Sie haben viel zu unserem heutigen Wohlstand in der Schweiz beigetragen. Eines war ihnen allen eigen, sie haben grosse Wertschöpfung erzeugt. Viele Unternehmer bemängeln heute, dass sehr viel Geld nicht wertschöpfend eingesetzt würde. Man handelt Aktien oder nutzt Finanzvehikel, um sich einen finanziellen Vorteil zu sichern, wobei die Wertschöpfung kaum eine Rolle spielt. Was halten Sie von diesem Auseinanderdriften von Finanzmärkten und der Realwirtschaft? Wo erkennen Sie hier Gefahren, allenfalls auch Chancen?
Samuel S. Weber: Eine wichtige Beobachtung, aber zuerst möchte ich der Prämisse Ihrer Frage widersprechen. Wertschöpfung spielt auch an den Finanzmärkten – darunter am Aktienmarkt – eine grosse Rolle, zumindest im mehrjährigen Zeitverlauf. Sie müssen sich das so vorstellen: Aktionäre verkaufen ihre Aktien immer an andere Aktionäre. In ihrer Gesamtheit aber können sie ihre Aktien nicht verkaufen. Ignoriert man Transaktionen zwischen verschiedenen Aktionären, so wird klar, dass das Schicksal der Aktionäre in ihrer Gesamtheit von den operativen Leistungen der Unternehmen, die sie besitzen, abhängt. Zahlreiche empirische und theoretische Studien bestätigen, dass der Aktienmarkt rationale Firmenwerte im Zeitverlauf sehr gut widerspiegelt, auch wenn es temporär krasse Unterschiede zwischen Firmenwerten und Aktienkursen geben kann. Wertorientierte Investoren haben sich darauf spezialisiert, solche Fehlbewertungen zu ihren Gunsten auszunutzen.
Trotzdem ist das von Ihnen angesprochene Auseinanderdriften von Finanzmärkten und Realwirtschaft ein echtes Problem. Ein gutes Bespiel dafür ist der Währungshandel, die gemessen an den gehandelten Volumina weltgrösste Industrie. Dabei ist ein kleiner Anteil auf echte Wertschöpfung zurückzuführen, nämlich auf Unternehmen und/oder Personen, die das Währungsrisiko bei ihren Geschäften absichern möchten. Dies ist eine wertschöpfende Tätigkeit – glauben sie mir, als Schweizer weiss ich, wovon ich rede.
Die überwiegende Mehrheit der Währungsgeschäfte hat aber nichts mit der Wertschöpfung einer Firma oder Person zu tun. Es handelt sich dabei um reine Spekulationen auf zukünftige Währungsentwicklungen, die sowieso niemand vorhersagen kann. Solche Spekulationen kosten Geld, ohne Mehrwert zu generieren. Sie schöpfen Wert ab, der besser woanders hinfliessen sollte. Es handelt sich dabei um eine bedeutende Missallokation von knappen Ressourcen – für mich als Ökonom ein sehr schmerzhaftes Phänomen. Diesbezüglich fühle ich mich ähnlich wie ein Arzt, der einem Patienten beim Kettenrauchen zuschauen muss.
Chancen sehe ich hier leider keine. Wertabschöpfende Tätigkeiten sind selbst dann abschöpfend, wenn ihr Ertrag für wertschöpfende Dinge verwendet wird. Ein Spekulant kann z.B. Kinder grossziehen, die in Zukunft einmal grossartige Dinge erreichen werden. Oder er kann sich nebenberuflich wertschöpfend betätigen. Trotzdem wäre es besser, wenn auch sein Einkommen aus einer wertschöpfenden Tätigkeit stammen würde.
Xecutives.net: Ich möchte diesem Geld noch mal etwas genauer auf den Puls fühlen. Geld ist so eine Sache, für viele Menschen wie Sex, also eine intime Angelegenheit. Man spricht nicht gerne darüber. Viele Eltern wollen mit ihren Kindern nicht offen über Geld und über ihren Besitz sprechen. In der Schweiz sprechen Menschen nicht über ihren Lohn, in anderen Ländern ist das weniger problematisch. Wie sehen Sie selbst Geld und was verbinden Sie persönlich mit Geld?
Samuel S. Weber: Für mich persönlich bedeutet Geld in erster Linie Unabhängigkeit. Weil ich mich beruflich mit Investitionen beschäftige, kann ich auch nicht zu viel davon haben (ich spreche hier von meinem psychologischen Wohlbefinden und nicht von gesamtwirtschaftlichen Verteilungsfragen). Ich finde immer eine produktive Verwendungsmöglichkeit für mein Geld. Hätte ich einen anderen Beruf, dann gäbe es wohl so etwas wie ein gesundes Optimum.
Zu wenig Geld bedeutet, wirtschaftlichen Sachzwängen ausgesetzt zu sein – was sehr unangenehm ist. Zum Glück ist die Armut in der Schweiz nicht vergleichbar mit derjenigen in den ärmsten Ländern der Welt. Trotzdem müssen sich arme Leute auch in diesem fortschrittlichen Land mit echten Problemen herumschlagen – ähnlich wie Menschen, die zwar unter einer nicht tödlichen, aber dennoch sehr lästigen Krankheit leiden.
Zu viel Geld kann aber auch zum Problem werden. Wenn man sich nämlich nicht rational mit diesem Thema beschäftigt, so muss man sich schnell einmal mit Problemen auseinandersetzen, die man ohne viel Geld gar nie gehabt hätte, z.B. unnötige materielle Abhängigkeiten, falsche Freundschaften und Beziehungen, mangelnder Leistungsantrieb, Neid anderer Menschen und Verlustängste.
Dies erklärt in meinen Augen auch die Intimität des Geldes, die Sie angesprochen haben. An und für sich sollte Geld nicht intim sein. Aber wir nehmen viele unserer Interessen durch Geld wahr, auch sehr intime. Und wenn man berücksichtigt, dass die Welt voller Interessenkonflikte ist, dann überrascht es mich nicht, dass Geld schnell einmal zu einer sehr angespannten und emotionsgeladenen – ja eben intimen – Angelegenheit werden kann. Diesbezüglich freue ich mich, das Buch „The Psychology of Money“ von Morgan Housel zu lesen, welches kürzlich erschienen ist.
Xecutives.net: In vielen Gesprächen mit Investoren, Unternehmern und reichen Privatpersonen höre ich immer wieder raus, dass Geld gar nicht so wichtig sei. In Basel beispielsweise leben reiche Menschen, denen man auf der Strasse niemals ansehen würden, dass sie viel Geld haben, wohl ein protestantischer Nachhall Zwinglis. Es kursieren dazu viele lustige Episoden. Eine bekannte Persönlichkeit etwa erzählte mir, dass ein reicher Basler Bürger ihm am Totenbett gesagt habe, dass er den einen schönen Jaguar doch hätte kaufen sollen. Das waren offenbar seine letzten Worte und er starb. Das mag für Menschen, die selbst nicht viel Geld haben, komisch klingen, auch für Menschen, die sich gerne mit viel Geld brüsten. Was meinen diese Menschen, die ja alle in besten Verhältnissen leben, wenn sie sagen, dass ihnen Geld nicht so wichtig ist?
Samuel S. Weber: Ich bin leider kein Psychologe, meine aber, ein gewisses Paradox beobachten zu können: Wenn man zu wenig Geld hat, kann man an fast nichts anderes mehr denken. Das fehlende Geld dominiert das Leben. Je mehr Geld man ausgehend von diesem Level hat, desto weniger denkt man daran; man kann sich das, was man braucht, leisten. Bis man zuviel davon hat, dann kann man wieder an fast nichts anderes mehr denken, weil man sich mit dem vielen Geld wohl oder übel herumschlagen muss.
Das ist aber eine sehr statische Betrachtungsweise. Der hier angesprochene Optimalzustand lässt sich nur mit viel Anstrengung aufrechterhalten. Sobald man einige grössere Anschaffungen (z.B. ein Haus, Auto oder Studiengebühren) tätigen möchte, wird eine rationale Finanzplanung notwendig. Erst recht, wenn man sich das Einkommen für viele Jahrzehnte Pensionierung und unvorhergesehene Finanzbedürfnisse ansparen muss.
Und der oben beschriebene Zusammenhang gilt wie bereits erwähnt nicht für Leute, die gelernt haben, sich rational mit dem Thema Geld auseinanderzusetzen. Rational denkende Menschen haben nur dann zu viel Geld, wenn sie keine produktiven Investitionen dafür finden. Dann sollten sie über sinnvolle Spenden nachdenken. Gerne verweise ich diesbezüglich auf die Philosophie des effektiven Altruismus.
Xecutives.net: Eine grössere Rolle als auch schon spielen heute Fragen der Umwelt und der Menschenrechte, wenn es um das Anlegen von Geld geht. Menschen, die Geld investieren, wollen zunehmend wissen, wo sie ihr Geld anlegen und was ihr Geld beeinflusst, zumindest einige. Diese möchten keine Unternehmen finanzieren, die sich auf die Welt negativ auswirken, was auch immer man darunter verstehen will. Was halten Sie von diesem gegenwärtigen Boom in Sachen nachhaltige Anlagen? Wohin wird das führen?
Samuel S. Weber: Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Viele nachhaltigkeitsbezogene Diskussionen beschäftigten sich aber mit der Verteilung des oben beschriebenen Wohlstands. Es geht schnell einmal vergessen, dass Wohlstand kreiert werden muss, bevor er verteilt werden kann. Der Fortschritt funktioniert so, dass man Probleme löst; und diese Problemlösungen kreieren dann andere, neue Probleme, die wiederum gelöst werden müssen. Nur weil eine Lösung für ein Problem nicht problemlos ist, heisst es nicht, dass es für sie keinen Platz gibt. Nachhaltigkeit bedeutet nicht, dass man keine Probleme hat und dass alles, was Probleme macht, schlecht ist.
Bei den aktuellen Diskussionen um Nachhaltigkeit fehlt mir oft das Bewusstsein für den Fortschrittsprozess, wie ich ihn soeben beschrieben habe. Bei vielen Themen, die heute im Namen der Nachhaltigkeit verteufelt werden, bspw. fossile Brennstoffe oder genmodifizierte Nahrungsmittel, wird leicht vergessen, dass es sich dabei um Lösungen für echte Probleme handelt. Seit Beginn der industriellen Revolution ist der Bedarf für fossile Brennstoffe bis heute massiv angestiegen. Ohne sie wäre unser heutiger Lebensstandard nicht möglich. Und ganz so schnell lässt sich das auch nicht ändern. Beispielsweise wurden im letzten Jahr weltweit ca. 4.5 Milliarden Tonnen – also 4’500’000’000’000 kg – Öl produziert. Der Anteil der fossilen Brennstoffe am gesamten Energieverbrauch beträgt trotz der hohen Investitionen in Solar- und Windenergie immer noch – und zwar unverändert zu vor 30 Jahren – deutlich mehr als 80%; der Anteil von Öl liegt bei deutlich mehr als 30%.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass der Anteil vom Öl am Gesamtenergieverbrauch im Jahr 1970 noch bei fast 50% lag und seither – unabhängig vom Klimawandel – kontinuierlich gesunken ist. Würden die Ölproduzenten heute nichts mehr in die Gewinnung von Öl investieren, dann würde aufgrund der Abnutzung der Ressourcen das Angebot um ca. 7% pro Jahr sinken, was trotz Nachfragerückgang (u.a. wegen der Corona-Pandemie und der zunehmenden Beliebtheit von elektrischen Fahrzeugen) bald zu starken Preisanstiegen führen würde. Solch eine Entwicklung hätte das Potenzial, den weltweiten Wohlstand drastisch zu reduzieren, weil wir auf absehbare Zeit von diesen Brennstoffen abhängen und wohl oder übel die hohen Preise bezahlen müssten. Dies würde unsere Einkommen reduzieren und so auch die Investitionen gefährden, die wir für die Entwicklung von modernen Technologien dringend benötigen – u.a. auch, um für den Klimawandel gerüstet zu sein. Und ohne genmodifiziertes Saatgut dürfte es schwierig werden, eine Bevölkerung von bald 10 Milliarden Menschen trotz Klimawandel zu ernähren.
Dass wir deshalb nicht in einer problemfreien Welt leben und dass diese Technologien nicht ohne Nebenwirkungen zu haben sind, ändert somit nichts an der Tatsache, dass viele dieser Technologien ihre Existenzberechtigung haben und wir auf sie angewiesen sind. Wir müssen laufend daran arbeiten, die aktuellen Probleme zu lösen und können uns nicht auf bisherig Erreichtem ausruhen. Das Leben besteht zu einem Grossteil darin, durch Wissen und Kooperation der Entropie entgegenzuwirken. Dazu braucht es aber rationale, wissenschaftliche Vorgehensweisen, die sämtliche Vor- und Nachteile vorsichtig abwägen. Und viele der Lösungen für die heutigen Probleme werden mit ihren eigenen Problemen kommen.
Was wir schlecht gebrauchen können – und was ich heute leider zu oft beobachte –, sind ideologisch geführte Debatten mit viel Fokus auf persönliche Präferenzen und wenig Bewusstsein für die Probleme, die es tatsächlich zu lösen gilt. Dabei denke ich sowohl an vieldiskutierte Probleme wie den Klimawandel, die Umweltverschmutzung (u.a. durch Plastik), die mangelnde Nachhaltigkeit der Pensionssysteme, die tiefe Produktivität, die hohen Schulden, die mangelnde Qualität öffentlicher Infrastruktur, die ökonomische Ungleichheit und die fehlende internationale Kooperation (v.a. zwischen China und den USA); als auch an die weniger oft diskutierten Probleme wie den Rückgang der Industrie in den entwickelten Ländern, den riesigen ungedeckten Bedarf für altersbezogene Dienstleistungen, die mangelhafte gesellschaftliche Akzeptanz der im Kapitalismus unvermeidbaren ökonomischen Ungleichheit, Massentierhaltung, die Sicherheitsstruktur des Internets und die mangelhafte gesellschaftliche Akzeptanz der Atomenergie sowie mangelhafte „Chancengleichheit“ und das Risiko eines Nuklearkriegs. Letzteres beschäftigt mich besonders, weil ich fast nirgends darüber lese. Das Internet wurde für viel geringere Grössenordnungen konzipiert, als wie es heute angewendet wird und der Sicherheit wurde viel zu wenig – ja fast keine – Beachtung geschenkt. Diese fundamentale Schwäche des Internets wird noch zu vielen „Überraschungen“ führen.
Über was ich mich im Unterschied zu vielen anderen Leuten aber wenig sorge, ist das Entstehen einer Superintelligenz, die uns Menschen einmal dominieren wird. Umgekehrt sehe ich in der Informationstechnologie auch nicht die Lösung aller Probleme, wie viele Menschen das derzeit tun. Da sehe ich noch eher die Gefahr, dass wir uns zu sehr auf künstliche Intelligenz verlassen, ihr zu viel zutrauen und die Grenzen ihren Kompetenzen zu wenig berücksichtigen.
Xecutives.net: Gerne möchte ich diesen letzten Punkt aufnehmen. Die technische Entwicklung rund um IT hat viel Veränderung gebracht. Ich spreche von elektronischen Währungen wie Bitcoin. Einen ersten Hype haben wir bereits hinter uns, die ganze Angelegenheit beschäftigt heute aber auch Banken, die versuchen müssen, den Anschluss in Sachen neuer Technologien nicht zu verlieren. Was erkennen Sie heute, wenn es um solche Währungen weltweit geht? Wohin wird das führen?
Samuel S. Weber: Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil ich die Zukunft nicht kenne. Bei der Blockchain-Technologie handelt es sich sicherlich um eine vielversprechende Technologie. Sie ermöglicht beispielsweise Vertrauensbildung ohne zentrale Instanz – mit entsprechend breiten Anwendungsmöglichkeiten.
Ich bezweifle aber, dass Regierungen ihr Währungsmonopol aufgeben und andere Währungen akzeptieren werden. Das Privileg, die eigene Währung nach Bedarf zu drucken, ist zu verlockend und wertvoll – und das, obwohl es zu inflationären Tendenzen führt mit der Folge, dass viele Papierwährungen mit der Zeit ihren Wert verlieren und meistens sogar durch neue Währungen ersetzt werden müssen.
Viele Technologie-Prognostiker sehen nur das technologisch Mögliche und vergessen dabei, dass Technologien zuerst von der Bevölkerung (inklusive des Staatsapparates) akzeptiert werden müssen, bevor sie ihr Potenzial entfalten können. Die Entstehung des Internets liefert dafür ein Paradebeispiel.
Natürlich ist die Welt inhärent unvorhersehbar und ich möchte nicht ausschliessen, dass wir einmal eine oder mehrere breit akzeptierte Blockchain-Währungen sehen werden.
Xecutives.net: Wir kommen nicht daran vorbei, in diesem Zusammenhang auch das Gold anzusprechen. Gold war in den letzten Jahren wieder in aller Munde. Was spricht für Anlagen in Gold und was wird Gold in der Zukunft für eine Bedeutung haben?
Samuel S. Weber: Diesbezüglich gibt es zwei Denkschulen. Der berühmte US-Investor Warren Buffett hält von Gold bekanntlich wenig, weil es unproduktiv herumliegt. Die andere Denkschule hingegen besagt, dass Gold äusserst wertvoll ist, weil es seit Jahrtausenden weltweit akzeptiert wird und nicht künstlich gedruckt werden kann, also wertbeständig sein sollte, erst recht in Zeiten wie heute, wo praktisch alle Zentralbanken Unmengen an Geld drucken und Regierungen Unmengen an Schulden machen. Wie John Pierpont Morgan sagte: «Gold ist eine Währung, alles andere ist eine Schuld.»
Ich persönlich halte mich von Gold fern, weil ich das Geld woanders produktiver anlegen kann. Dabei muss ich sicherstellen, dass ich trotz Geldentwertung genug verdiene. Ich muss bei meinen Investitionen also für das Währungs- und Inflationsrisiko durch höhere Renditeerwartungen entschädigt werden.
Xecutives.net: Sie selbst haben eigene Ideen, wie Geld angelegt werden kann. Sie schreiben im Internet (Linkedin und www.samuelsweber.com) regelmässig über wirtschaftliche Ereignisse oder sie nehmen Stellung zum Zustand von Unternehmen und Industrien auf der Welt. Wie würden Sie ihre Einstellung zum Geldanlegen beschreiben und wann entwickeln Sie selber Interesse an Investments?
Samuel S. Weber: Meine Einstellung zum Geldanlegen lässt sich relativ einfach wie folgt beschreiben: Lege das Geld dort an, wo es am meisten Wert schöpft und stelle dabei sicher, dass die Wahrscheinlichkeit eines permanenten Kapitalverlustes vernachlässigbar gering ist.
Xecutives.net: Herr Weber, ich bedanke mich für die Zeit, die Sie sich für dieses Interview genommen haben und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg, privat und beruflich!
(Find here the whole interview in English)
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