Simon V. Jenny führt seit 2003 zusammen mit seiner Frau Gabriela Jenny das 5-Stern-Superior Hotel Castello del Sole, das zusammen mit dem Landwirtschaftsbetrieb der Terreni alla Maggia SA gehört, welche sich im Besitze der Familie Anda-Bührle befindet. Das Anwesen gilt aufgrund seiner einzigartigen Lage als eines der schönsten im Tessin. Das Castello del Sole blickt auf eine lange Geschichte zurück. Wesentliche Teile der Grundsubstanz stammen aus dem 17. Jahrhundert. Es ist in den letzten Jahren mehrfach als bestes Ferienhotel der Schweiz und die Küche, unter der Leitung von Othmar Schlegel, mit 17 Gault Millau-Punkten, ausgezeichnet worden. Simon V. Jenny spricht im Interview mit Xecutives.net über die Bedeutung von Auszeichnungen sowie den Umgang mit Kunden und zeigt auf, was die Management-Herausforderungen im Führen eines Schweizer Spitzenhotels sind.
Dueblin: Sehr geehrter Herr Jenny, das von der Familie Anda-Bührle gehaltene und von Ihnen und Ihrer Frau geführte Hotel Castello del Sole in Ascona ist eben von der SonntagsZeitung erneut zum besten Familienhotel der Schweiz erkoren worden. Was bedeuten solche Auszeichnungen für das Hotel und Ihre Arbeit?
Simon V. Jenny: Grundsätzlich sind solche Auszeichnungen eine grosse Anerkennung für meine Mitarbeitenden, meine Frau und mich. Eine Auszeichnung ist ein schöner Motivationsfaktor für alle Beteiligten. Sie ist auch eine Anerkennung für die Eigentümer und zeigt, dass die strategischen Entscheide und die Investitionen, die wir in der jüngsten Vergangenheit gemacht haben, richtig waren. Die diversen Auszeichnungen und der finanzielle Erfolg zeigen zudem, dass unser langfristiges Betriebskonzept optimal umgesetzt wurde. Last but not least ist auch der PR-Nutzen von solchen Auszeichnungen unbezahlbar. Sie steigern den Bekanntheitsgrad enorm.
Dueblin: Schon im Jahr 2007 sind Sie von Gault Millau zum besten Hotel der Luxusklasse in der Schweiz erkoren worden.
Simon V. Jenny: Diese Auszeichnung „Gault Millau Hotel des Jahres“ war die erste und somit die wichtigste und auch schönste der Auszeichnungen. Viele Gäste haben uns dazu gratuliert. Mit einer Auszeichnung von Gault Millau oder einer Zeitung wachsen aber auch die Erwartungen, was einen gewissen Leistungsdruck erzeugt. Man steht auch mehr unter Beobachtung. Auszeichnungen verpflichten, was bedeutet, dass etwa bei Fehlern – und solche passieren nun einmal, wo Menschen arbeiten und damit auch in einem Fünfsternehotel – die Angriffsfläche grösser ist. Glücklicherweise passieren nur wenige Fehler und wir erhalten wunderbare Echos von unseren Gästen aus der ganzen Welt.
Dueblin: Sind Sie im Zusammenhang mit diesen Auszeichnungen auch mit Neid konfrontiert worden? Nicht allen Hotels in der Schweiz geht es so gut wie dem Castello del Sole.
Simon V. Jenny: Neidreaktionen gibt es natürlich auch. Man sagt ja, wo Erfolg ist, ist Neid allgegenwärtig. Die ebenfalls erfolgreichen Hotels/Hoteliers gönnen uns jedoch die Auszeichnungen und drücken das auch ehrlich verbal oder schriftlich aus.
Dueblin: Wo sehen Sie Fehler im Management von Fünfsternehotels, denen es nicht so gut geht wie Ihnen und dem Hotel Castello del Sole? Oder anders gesagt, was ist wichtig, damit man so erfolgreich wird?
Simon V. Jenny: Das ist schwierig zu sagen. Jedes Hotel ist in seiner Art ein Unikat und ich möchte mir nicht anmassen, global über Fehler im Management von Fünfsternhotels zu sprechen, zumal entsprechende Ausführungen in keiner Weise mit Fakten belegt werden könnten. Ich kann aber über das sprechen, was wir im Castello del Sole „leben“. Die Basis bilden die Mitarbeitenden, welche mit viel Leidenschaft, Stolz und Freude arbeiten und somit bei den Gästen auch einen glücklichen Eindruck hinterlassen. Oft hören wir bei unserer persönlichen Verabschiedung: „Es ist schön, mit wie viel Freude Ihre Mitarbeitenden uns verwöhnt haben“. Weiter ist für uns wichtig, dass wir uns auf unsere Einzigartigkeiten, sprich USP’s, konzentrieren und diese stetig stärken respektive ausbauen. Viele von unseren Schwächen, welche wir im langjährigen Betriebskonzept im Jahr 2005 erkannt haben, konnten wir bis heute in Stärken oder gar auch in USP’s umwandeln. All das braucht viel Geduld, Kontinuität sowie ein langfristiges Denken und Handeln. Schnellschüsse führen in der Regel nicht zu einem nachhaltigen Erfolg. Wenn immer möglich begrüssen und verabschieden ich und/oder meine Frau unsere Gäste persönlich. Das ist eine wichtige Wertschätzung dem Gast gegenüber und gibt uns auch Gelegenheit, vom Gast wertvolle Informationen über seinen Aufenthalt zu erhalten.
Dueblin: Ich stelle fest, dass in den letzten Jahren vermehrt auch junge Familien in Ihrem Hotel unterkommen. Das war noch vor 10 Jahren weniger der Fall.
Simon V. Jenny: Wir sind ein Hotel Resort mit einer sehr breiten Angebotpalette und ganz wichtig mit einer Fläche von total 14ha, wo jeder Gast seinen bevorzugten Platz findet. Damit können wir viele und verschiedene Gästesegmente ansprechen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie sich gegenseitig stören. Um eine gute Auslastung zu gewährleisten, mussten und müssen auch wir eine breit gefächerte Kundschaft ansprechen. Junge Familien sind bei uns heute tatsächlich mehr anzutreffen als noch vor 10 Jahren. Es handelt sich meist um Paare ab 30 mit Kindern. Oft waren diese jungen Paare bereits mit ihren Eltern bei uns zu Gast. Familien geben Leben in den Betrieb. Das kann hin und wieder auch zu Problemen führen, bezüglich welcher wir aber sensibilisiert und gerüstet sind. Es gibt Gäste, die sich Kinder nicht gewohnt sind oder einfach Ruhe suchen. Wir verfügen jedoch über genügend Platz, um örtliche Trennungen vorzunehmen. In der Regel reagieren die Gäste auf Kinder allerdings sehr positiv. Engpässe können allenfalls beim Frühstück entstehen, aber mit etwas Rücksicht läuft auch das in der Regel problemlos ab.
Dueblin: Mit fällt überdies auf, dass nur wenig Gäste aus Osteuropa anzutreffen sind, ganz im Gegensatz zu Spitzenhotels beispielsweise in Gstaad oder in St. Moritz. Worauf ist dies zurückzuführen?
Simon V. Jenny: Das hat sicher damit zu tun, dass Ascona keine typische Destination für Kunden aus dem Osten ist. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Einer ist sicher, dass Ascona zwar schöne Geschäfte hat, jedoch nicht in dem „Luxus-Luxus-Ausmass“ wie zum Beispiel St. Moritz. Vielleicht fallen auch die Währungsrisiken ins Gewicht, die in Osteuropa eine grössere Rolle spielen. Unsere Marketingaktivitäten sind jedenfalls auch klar auf eine mitteleuropäische Kundschaft ausgerichtet. Unsere Überlegung ist, dass die kulturellen Unterschiede zwischen den mitteleuropäischen Staaten weniger gross sind als zwischen diesen und den osteuropäischen oder auch den asiatischen Staaten. Wir sind mit 81 Zimmern immer noch ein kleines Hotel und erreichen mit unseren Gästen aus Mitteleuropa eine gute Auslastung. Das Treueverhalten der mitteleuropäischen Gäste darf nicht unterschätzt werden. 60 % unserer Gäste sind Schweizer. Wir haben aber dennoch hin und wieder auch russische Gäste. Diese sind jedoch meistens bereits seit vielen Jahren in der Schweiz wohnhaft.
Dueblin: Kurt H. Illi hat schon im Jahr 2008 in einem Xecutives.net-Interview vorausgesagt, dass schwierige Zeiten auf den Tourismus und die Hotellerie in der Schweiz zukommen werden. Was stellen Sie in Bezug auf die momentane Wirtschaftskrise fest?
Simon V. Jenny: Seine Einschätzung war richtig. Der Tourismus in der Schweiz muss Wege finden, um diese Krise zu meistern. Ich differenziere in Bezug auf den “Impact“ der Krise ganz grob zwischen Stadt- und Ferienhotellerie. Erstere hat die Krise sehr stark getroffen. Wir erzielten dagegen im letzten Jahr in der Ferienhotellerie ein Rekordergebnis. Das hat mit unserer Gästestruktur bzw. deren Einkommensklasse zu tun sowie mit dem Umstand, dass wir zu 97% Feriengäste beherbergen. Stadthotels und Hotels, die stark im so genanten MICE-Geschäftsfeld (Meetings, Incentives, Conventions, Events) tätig sind, hatten die grössten Rückgänge zu verzeichnen. In einer Krise werden die ersten Sparmassnahmen im Bereich MICE ergriffen. Ich habe das Gefühl, dass wir dieses Jahr die Krise ebenfalls leicht zu spüren bekommen, was sich nicht etwa im Ausbleiben der Gäste bemerkbar macht, sondern mehr in der Verkürzung des Urlaubes.
Dueblin: Hinter dem Hotel Castello del Sole steckt eine bekannte Unternehmerfamilie aus der Schweiz. Es handelt sich um die Familie Anda-Bührle. Was ist bei der Führung eines Hotels anders, wenn eine Familie im Hintergrund mitentscheidet?
Simon V. Jenny: Bei einem Familienunternehmen wird strategisch viel langfristiger gedacht als bei einem Hotel innerhalb einer Gruppe oder Kette und es steckt in der Regel auch mehr Herzblut der Besitzer darin. Dadurch ergibt sich auch für die Betriebsleitung eine sehr enge Verbundenheit zum Betrieb und eine Identifikation mit dem Gesamtunternehmen. Wer nun aber denkt, ein Hotel im Familienbesitz sei mit dem Betreiben eines „Hobbys“ gleichzusetzen, liegt in unserem Fall ganz falsch. Wir müssen alle buchhalterischen Prinzipien einhalten und Investitionen müssen sich rechnen. Wir haben im langfristigen Finanzplan gemeinsam eine sich laufend steigernde Immobilienrendite festgelegt, bezüglich welcher wir auf Kurs sind. In dieser Hinsicht gibt es keine Unterschiede zu anderen Hotels und Unternehmen. Die Familie ist im Verwaltungsrat persönlich vertreten und die Zusammenarbeit zwischen der Eigentümerschaft und mir ist auch deshalb angenehm, weil ich direkt mit den Entscheidträgern arbeite. Entscheide sind deshalb auch nachhaltiger als in anderen Hotels. Man plant auf viele Jahre hinaus und man will eine langjährige Tradition weiterführen.
Ich kann Ihnen ein schönes Beispiel zu einer nachhaltigen und strategischen Entscheidung in einem Familienunternehmen aufzeigen: Wir haben vor kurzem einen neuen Wellnessbereich mit 2500 Quadratmetern und 8 luxuriösen Suiten mit bis zu 200 Quadratmetern im ersten Obergeschoss des Gebäudes gebaut. Ohne einen baulichen Eingriff im bestehenden Hotel hätten wir unsere Bettenkapazität von 150, je nach Anzahl der Personen in den Suiten, bis auf ca. 180 Betten ausbauen können. Es war jedoch schnell klar, dass wir auf keinen Fall in der Quantität wachsen, sondern die Qualität steigern wollten. Deshalb wurde entschieden, dass im bestehenden Hotel 16 Doppelzimmer zu grosszügigen Junior-Suiten umgebaut werden und wir dadurch weiterhin nicht mehr als plus/minus 150 Betten im Angebot haben. Man könnte annehmen, dass wir dadurch die Chance für einen höheren Umsatz verspielt haben. Dem war nicht so, denn dank den zusätzlichen Junior-Suiten und Suiten konnten wir den Umsatz pro Zimmer deutlich um rund 25% steigern.
Dueblin: Sie haben die Zimmerzahl ganz im Gegensatz zu anderen Hotels nicht erhöht. Was waren die Gründe für diesen eher ungewöhnlichen Entscheid?
Simon V. Jenny: Der Familie und uns war klar, dass dem Hotel mit mehr Gästen die Aura, der Charme und die Einzigartigkeit genommen worden wäre. Das Hotel Castello del Sole ist ein Ort, an dem der Gast immer auch seine Ruhe finden will. Mit einer grosszügigen Raumgestaltung und einem Anwesen, das über 140‘000 Quadratmeter gross ist, ist das möglich. Tagsüber verstreuen sich die Gäste im Hotel und auf dem Anwesen und sie haben überall das Gefühl, allein zu sein. Den Boom des Ausbauens der Zimmerzahl wollten wir einfach nicht mitmachen. Dieses langfristige Denken zusammen mit der Familie hat sich nun, wie wir sehen, sehr bewährt und uns in unserem Grundsatzentscheid bestätigt.
Dueblin: Herr Jenny, was wünschen Sie sich für sich und Ihre Frau, für das von Ihnen geführte Hotel sowie für die Gäste für die Zukunft?
Simon V. Jenny: Für unsere Gäste wünsche ich mir, dass sie weiterhin zufrieden sind und von glücklichen und somit freundlichen Mitarbeitern verwöhnt werden. Ausserdem wünsche ich den Gästen, meiner Frau und auch mir gute Gesundheit und hoffe zusammen mit meinen Mitarbeitenden, auch in Zukunft viele Gäste im Castello del Sole begrüssen zu dürfen.
Dueblin: Sehr geehrter Herr Jenny, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen und Ihrer Frau sowie dem Hotel Castello del Sole weiterhin alles Gute!
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