Beat Presser, 1952, arbeitete früh als Assistent für den bekannten Modefotografen Onorio Mansutti in Basel. Bald führte ihn seine Passion – die Fotografie – nach Paris, wo er vielen interessanten Fotografen und Filmern begegnete, die ihn inspirierten und wo er das Handwerk der Fotografie von der Pike auf lernte und vielfältig einsetzen konnte. Seine frühe Reisetätigkeit nach Asien und Afrika und die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus haben sein Leben bis heute geprägt und schlagen sich in seinen Arbeiten als Fotograf und Autor nieder. 2005 erschien sein Bild- und Erzählband „Oase der Stille“, in dem er sich aufgrund von eigenen Erfahrungen mit dem Leben von Buddha und dem Leben im Kloster fotografisch aber auch erzählerisch auseinandersetzt. Beat Presser war Gründer und Redaktor der Zeitschriften „Palm Beach News“ und „The Village Cry“. Für letztere gelang es ihm sehr früh, Klaus Kinski für Fotografien zu gewinnen. Ihre Lebens- und Arbeitswege sollten sich wieder kreuzen. Für Werner Herzog war er u.a. als Kameraassistent und Standfotograf für Filme wie „Fitzcarraldo“ und „Cobra Verde“ tätig. Im Gespräch mit Christian Dueblin spricht Beat Presser über seinen Werdegang vom Modefotografen hin zum frei arbeitenden Fotografen und Weltreisenden, seine Tätigkeit als Dozent für Fotografie und er spricht über seine Reisen in fernste und uns unbekannte Gegenden dieser Welt, an denen er uns durch die Linsen seiner Leica und Hasselblad teilhaben lässt.
Dueblin: Beat Presser, wie kamen Sie zur Fotografie? War es ein Prozess in Ihrem Leben, der Sie Fotograf werden liess, oder war Ihnen schon immer klar, dass Sie die Fotografie Ihr ganzes berufliches Leben lang begleiten sollte?
Beat Presser: Ursprünglich wollte ich Theaterregisseur werden. Dann aber kam es in sehr jungen Jahren zu einem prägenden Ereignis – zu einer inneren Weichenstellung und Überzeugung. Mein Schulfreund Bernhard Burckhardt nahm mich als ich 15 Jahre alt war zu sich nach Hause und zeigte mir in seinem Fotolabor wie man Negative vergrössert. Im Moment als ich sah, wie das fotografische Abbild auf dem Papier erschien, da wusste ich: Ich werde Fotograf!
Dueblin: Sie haben die Fotografie von der Pike auf gelernt und kamen über die Modefotografie zu Ihrer heutigen Tätigkeit als freischaffender Fotograf und Autor. Was veranlasste Sie damals, die Welt der Modefotografie zu beschreiten und wo hat diese Tätigkeit möglicherweise noch heute Einfluss auf Ihre Arbeit?
Beat Presser: Mit 20 und nach meiner ersten grossen Reise durch Afrika und Asien begann meine Ausbildung zum Fotografen bei Onorio Mansutti. Er war damals einer der besten und renommiertesten Modefotografen in der Schweiz, wollte aber keine Assistenten oder Lehrlinge ausbilden. Offenbar hatte er schlechte Erfahrungen beim Ausbilden von angehenden Fotografen gemacht. Aber über einen Freund meines Vaters, den ich auf meiner langen Reise in Hongkong traf und mit dem ich über meine Pläne sprach, kam es zum Kontakt mit Onorio Mansutti. Der Freund meines Vaters empfahl mich bei ihm und gab sich als mein Patenonkel aus, was offensichtlich hilfreich war (lacht), denn bald nach meiner Rückkehr nach Europa durfte ich für Onorio Mansutti arbeiten. Er hatte mich aber anfänglich gar nicht wirklich wahrgenommen und mein Status war völlig unklar. Mansutti kam nur selten ins Labor. Diese Arbeit interessierte ihn nicht gross. Dafür hatte er Angestellte, die ihm zudienten. Einer dieser Angestellten war Stefan Zurkinden, aber auch Charles P. Kost und Ruedi Knöpfli, alles bereits selber gute Fotografen, arbeiteten für ihn. Sie alle waren hervorragende Techniker und Laboranten. Ich selber arbeitete jeden Tag, auch an den Wochenenden, in seinem Studio an der Haltingerstrasse im Labor. Mansutti kam eines Tages ins Labor und war ganz erstaunt, dass ich noch da war. Nach einem Gespräch gab er mir die Möglichkeit, auch als Assistent für ihn tätig zu sein. Und so erlernte ich das Handwerk des Fotoassistenten, lernte Filme in die Hasselblad einlegen, Lichter zu setzen, Bilder zu komponieren und vieles mehr. Mansutti hat die Models und Personen, die er fotografierte psychologisch sehr geschickt behandelt, so dass er sie immer dort „hinbringen“ konnte, wo er sie für seine Fotografien gerne haben wollte. Das war eine grosse Stärke von ihm. Auch in dieser Beziehung konnte ich viel lernen, was mir später sehr dienlich sein sollte. Das war eine sehr angenehme und interessante Zeit.
Dueblin: Sie kehrten Basel bald den Rücken und gingen nach Paris. Wie kam es zum Entscheid, ins damalige Mekka der Mode und Schönheit zu gehen?
Beat Presser: Eines Tages kam Peter Knapp vorbei. Er war damals ein sehr bekannter Mode- und Kunstfotograf und arbeitete in Paris. Onorio ermunterte mich, ein Portfolio für ihn vorzubereiten und ihm dies zu zeigen. Da ich bereits damals einige Arbeiten publiziert hatte, war das nicht allzu schwierig für mich. Peter Knapp schlug mir nach der Betrachtung meiner Bilder vor, nach Paris zu ihm zu kommen und als Assistent zu arbeiten. Er meinte, mein Talent würde hier in der Schweiz verkümmern. Als 21-jähriger fuhr ich nach Paris und war – wie abgemacht – am 1. November am Quai Voltaire. Als ich an der Türe von Peter Knapp klingelte, meinte seine Assistentin, ihr Chef sei zurzeit in Peru und würde erst im Dezember wieder zurück sein. Mir war klar, dass ich nicht zurück in die Schweiz fahren konnte. Monika, die Assistentin teilte mir mit, dass ein anderer junger Schweizer Fotograf, Lothar Schmid, in der Stadt weile, und dass er heute im Laufe des Tages hier vorbei kommen würde und sie empfahl mir, auf ihn zu warten. Lothar Schmid, er wurde später ein weltberühmter Modefotograf, und ich verstanden uns auf Anhieb. Er kannte Paris und die Modeszene bereits sehr gut und gab mir eine Liste mit 10 Fotografen und meinte, ich solle bei jedem persönlich vorbeigehen und mich vorstellen.
Dueblin: Was bedeutete die Modefotografie für Sie? War sie ein reines Mittel zum Zweck oder handelte es sich bei der Modewelt ebenfalls um eine Passion?
Beat Presser: Die Modefotografie war für mich tatsächlich nur Mittel zum Zweck. Sie interessierte mich im Grunde genommen nicht. Ich hatte damals schon die Absicht zu reisen und meine eigenen Wege als Fotograf zu gehen. Ich wollte reisen, unterwegs sein und ein freies Leben führen. Mit 19 war ich bereits in Afrika und Asien unterwegs und schon damals war für mich klar, dass ich ein Fotograf sein wollte, der seine eigenen Geschichten erzählt. Es war aber natürlich sehr schwierig, mit diesem Traum gleich anzufangen und auch mein Vater war skeptisch. Die Modefotografie aber bot mir hervorragende Möglichkeiten, mich mit der Technik vertraut zu machen, die Lichtführung zu lernen, Projekte mit anderen Menschen zu meistern und auf Kundenwünsche einzugehen.
Dueblin: Sie haben Ihren Vater erwähnt. Er hat Ihnen später Ihre erste Hasselblad geschenkt, Ihre Lieblingskamera. Wie verhielt es sich mit seiner Einstellung Ihnen und Ihren Plänen gegenüber?
Beat Presser: Das war schon auch etwas ein Kampf, den ich austragen musste. Mein Vater wollte nicht unbedingt, dass ich Fotograf werde. Er hat mich aber auch unterstützt. Er selber begann Studien der Mathematik und der Medizin, aufgrund des Zweiten Weltkriegs musste er seine Pläne jedoch abrupt ändern und er wurde Kaufmann. Oft meinte er, er verstünde halt nur wenig von der Fotografie. Meine Mutter aber hatte eine künstlerische Ader und hat selber auch gezeichnet und gemalt. Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder, so war das auch bei mir und meinen Eltern. Oft ist es für Eltern nicht einfach, das ganze „Bild“ rund um einen jungen eigenständig denkenden Menschen zu erkennen.
Dueblin: Was passierte später in Paris? Wie kamen Sie zu Ihren ersten Aufträgen?
Beat Presser: Ich hatte nach 10 Tagen Interviews mit bekannten Fotografen zu meinem grossen Erstaunen sieben Angebote und nahm alle an. Ich arbeitete tageweise mit Sacha, einer Fotografin aus Holland und war für verschiedene andere Fotografen projektspezifisch tätig. Bei diesen vielfältigen Tätigkeiten lernte ich enorm viel. Ich verfügte über ein gutes technisches Grundwissen und fühlte mich bei der Arbeit sicher, was mir ermöglichte, fotografisches Wissen bei verschiedenen Fotografen anzueignen.
Eines Tages lernte ich Just Jaeckin, den Regisseur von Filmen wie beispielsweise „Emanuelle“ und „Madame Claude“, kennen. Nachdem er mich aufgrund meines damals schlechten Französisch zuerst nicht verstand, forderte er mich im Eingang seines Hauses auf, Englisch zu sprechen und ich sagte ihm, dass ich einen Job suchen würde (lacht). Ich bezog mich auf Peter Knapp, was dazu führte, dass er mir schliesslich Eintritt ins Haus gewährte. Er fragte mich, ob ich mit meinen Händen arbeiten könne und erklärte mir, er würde seinen Film „Emanuelle“ fertigstellen, drehe Werbefilme und würde bei der damals sehr bekannten Galerie Stalder in Paris, eine Galerie, die es heute nicht mehr gibt, eine Ausstellung vorbereiten. Er suchte einen Projektleiter für diese Ausstellung, der sich in Sachen Fotografie auskannte und über das nötige Fingerspitzengefühl verfügte. Ich bekam den Job und das war eine äusserst spannende Zeit. Ich begegnete Persönlichkeiten wie Catherine Deneuve, Ingrid Caven, Udo Kier, Verutschka und vielen anderen Schauspielern, Regisseuren und Fotografen, die bei Just Jaeckin ein- und ausgingen. Ich wohnte bei ihm in der Rue St. Denis, in einem wunderbaren grossen Haus mit einem schönen Lichthof, ein wunderbar inspirierender Ort, und fertigte unter seiner Regie Fotoskulpturen an.
Dueblin: Sie haben später Klaus Kinski kennengelernt und wurden sein bekanntester Fotograf. Sie haben auch mit Werner Herzog zusammengearbeitet, für den Sie als Kameraassistent und Standfotograf tätig waren. Wie kam es zur Liebe zum Film?
Beat Presser: Ich ging in Paris täglich ins Kino und schaute mir jeden Abend bis zu 5 Filme an. Man konnte damals für 2 französische Francs in der Cinémathèque Francaise so ziemlich alle Filmklassiker anschauen, die es gab. Eines Tages sah ich „Aguirre“ von Werner Herzog. Die Kinokultur war damals anders als heute. Damals gingen wir regelmässig ins Kino und gespannt warteten wir auf die neusten Film von Roman Polanski, Frederico Fellini, Michelangelo Antonioni, Sergio Leone, Louis Malle, Jean Francois Truffaut, Ingmar Bergmann, Werner Herzog, Rainer Werner Fassbinder, Akira Kurosawa und anderen Regisseuren. Verpasste man eine Szene, oder wollte man eine Szene ein zweites Mal sehen, musste man nochmals ins Kino gehen, nicht wie heute, wo Dank DVD alles jederzeit verfügbar ist. Von Werner Herzog’s „Aguirre“ – eine Expedition in die Kolonialzeit – war ich total fasziniert und noch im Kino sagte ich zu mir: Mit Herzog und Kinski würde ich gerne einmal zusammenarbeiten. Ein Wunsch, der später in Erfüllung gehen sollte.
Dueblin: Sie sind auf der ganzen Welt auch als Gastdozent für Fotografie tätig und geben Ihr Wissen an andere Fotografinnen und Fotografen weiter. Was ist Ihre Motivation, Ihr Wissen weiterzugeben? Ich frage das, weil es viele Menschen gibt, die viel wissen, aber kein Verlangen verspüren, dieses an andere Leute weiterzugeben.
Beat Presser: Ich sehe das als eine Art, etwas zurückgeben zu können, von dem ich selber viel profitiert habe. Ich hatte das grosse Glück, immer wieder Fotografen zu treffen, denen es Freude gemacht hat, ihr Wissen mit mir zu teilen. Das ist sicher ein wichtiger Grund dafür, dass ich gerne und immer wieder einmal als Dozent tätig bin. Es ist mir ein Ehre und ein Vergnügen, mein Wissen mit anderen Fotografen zu teilen und an Interessierte weiterzugeben.
Dueblin: Ihre Bilder strahlen Lebensfreude aus. Sie sind zweifelsohne kein Missionar, der seine Beobachter von einer Lebenseinstellung überzeugen will. Was denken Sie persönlich, ist es, das Ihren Bildern von oft sehr armen und von Krisen geprägten Gegenden auf der Welt immer einen positiven und lebensbejahenden Ausdruck verleiht?
Beat Presser: Ich muss in Bezug auf diese Frage etwas ausholen. Als junger Reisender machte ich zurück aus Laos und auf dem Weg nach Malaysia Autostopp und es kam in Thailand zu einem spektakulären Unfall. Ich war verletzt und man zog mich aus dem Auto, zusammen mit dem Fahrer und dem Beifahrer. Wir waren alle schwer verletzt. Ein Bus hielt an und brachte uns ins 60 Kilometer entfernte Spital nach Korat. Dort teilte man mir mit, es habe keinen Platz; es war die Zeit des Vietnamkrieges und im Spital von Korat wurden GI’s und andere Kriegsverletzte gesund gepflegt. So brachte man mich in ein Kloster, wo ich von buddhistischen Mönchen gepflegt und während Wochen meine Rückenverletzung kurieren konnte. Dieses Erlebnis hat mich sehr geprägt und zugleich fasziniert. Ich sagte mir damals, noch keine 20 Jahr alt, dass ich – sollte ich je der Fotograf werden, der ich werden wollte – diese Eindrücke einmal später im Leben thematisieren würde. Und so kam es zu dem Buch und der Ausstellung „Oase der Stille“. Der Buddhismus war damals für mich wie eine Art Offenbarung, die mich sehr geprägt hat. Dank diesem Unfall habe ich auch gelernt, das Positive in einer unangenehmen Erfahrung zu sehen.
Es gibt eine zweite Begebenheit in meinem Leben, die mich gelehrt hat, dem Positiven auf der Welt den Vorrang zu geben: Ich habe mit meiner Frau, der Buchgestalterin Vera Pechel, rund 5 Jahre auf Madagaskar gelebt und gearbeitet. Wir haben dort sehr viel fotografiert, geschrieben und eine fotografische Geschichte mit dem Titel „Vom Feuer zur Religion“ produziert. Die Geschichte ist zwar nie als Buch veröffentlicht worden, aber Ausschnitte aus der Geschichte wurden mehrfach ausgestellt. Seit meiner Kindheit war es ein grosser Traum von mir, Madagaskar zu besuchen. 1988 fuhr ich mit meinem Freund Azman Ismail erstmals nach Madagaskar, um dort einen Dokumentarfilm zu drehen, der später auch auf allen drei Sendern des Schweizer Fernsehens ausgestrahlt wurde. Wir kamen damals spät nachts auf Madagaskar an und wurden vom dortigen Polizeipräsidenten am Flughafen in Antananarivo abgeholt. Azman hatte beste Beziehungen zu den Behörden vor Ort und bald kamen wir hinten auf der Ladefläche des Pickup-Trucks mit dem Polizeipräsidenten ins Gespräch. Er kannte unser Vorhaben und meinte nur zu mir, es gäbe viel Schönes, aber auch viel Trauriges hier auf der Grossen Insel, ich solle aber nicht versuchen, das Schlechte, sondern das Schöne, einzufangen. Mich hat dieses Gespräch und seine Aussage sehr geprägt und ich habe versucht, dies auch später in meine Arbeit miteinfliessen zu lassen. Ich hatte zwar immer eine lebensbejahende Einstellung und habe nie versucht „Reisserisches“ zu fotografieren, aber ich fand, der Polizeipräsident hatte Recht. Mit wenigen Worten hatte er das, was von nun an meine Arbeit mitbestimmen sollte, auf den Punkt gebrachte.
Dueblin: Sie haben sich ein Leben lang mit der analogen Fotografie und der Schwarz-Weiss-Fotografie auseinandergesetzt. Sie verlangt ein geschultes Auge und Geduld. Wie steht es Ihrer Meinung nach mit der digitalen Fotografie, der man oft nachsagt, dass sie aufgrund der schieren Menge an möglichen Bildern, die Nachlässigkeit im Beobachten fördere?
Beat Presser: Ich habe mich lange Zeit nicht mit der digitalen Technik auseinandergesetzt. Irgendwann kam aber der Punkt, an dem ich mich dieser Technik stellen musste. Mir fällt in Bezug auf meine schulischen Tätigkeiten auf, dass die Digitalisierung der Fotografie tatsächlich dazu verleitet, weniger genau zu arbeiten. Das geht auch mir so, seit ich mich mit dieser Form der Fotografie ebenfalls und nebenbei auseinandersetze. Dank der Verfügbarkeit und der Vereinfachung der fotografischen Technik sind auch Teile des Arbeitsmarktes für den Berufsfotografen eingebrochen und es macht sich eine Art Minimalismus breit. Ich bleibe aber aus verschiedenen Gründen der analogen Fotografie treu. Jeder Abzug in der analogen Fotografie ist eine „Perle“ und dieses Handwerk und die Arbeit im Labor zu verstehen, ist eine wahre Kunst, die heute leider nicht mehr viele Fotografen beherrschen.
Dueblin: Sie sagen damit aber auch, dass man mit gut recherchierten Geschichten und fundierten Aussagen und Fotografien auch heute Leute erreichen kann, in einer Welt, in der sich doch viele Menschen, auch aufgrund der unglaublichen Anzahl von Informationen und Bildern, mit Vielem nur oberflächlich auseinandersetzen wollen und können.
Beat Presser: Das ist absolut meine Erfahrung. Das Interesse an guten Geschichten und qualitativ guten Bildern, die fotografisch gut umgesetzt sind, sowie fundierten Hintergrundinformationen ist nach wie vor da, auch wenn man damit natürlich nicht die grosse Masse von Menschen erreicht. Das zeigt auch das Echo auf mein neues Buch „Dhau – Beatus Piratus auf Sindbads Spuren“, in dem ich mich mit der jahrtausendealten Schifffahrt und dem Schiffbau in Ostafrika auseinandersetze. Es war nie mein Ziel, nur die grosse Masse zu erreichen. Ich bin mir völlig bewusst, dass meine Reisen in abgelegensten Gebiete der Welt und meine Auseinandersetzung mit ganz speziellen Themen nur ein spezielles Publikum interessieren, das mehr von dieser Welt und über diese Themen erfahren möchte. Ich kann aber bestätigen, dass es dieses Publikum gibt. Ich fülle mit diesem Ansatz eine Nische aus, die so gut funktioniert, dass ich meine Ideen bis anhin realisieren konnte.
Es gibt in Bezug auf die Digitalisierung zwei Dinge, die man bedenken muss: Die Fotografie ist nichts Aggressives und ich kann nichts Schlechtes daran erkennen, wenn alle Menschen auf der Welt mit ihren Kameras und iPhones Bilder machen. Die Fotografie jedoch – und das erkennt man erst, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt – weist ganz viele wichtige Aspekte auf. Es gibt nur wenige Leute, die wirklich etwas von Fotografie – sie ist eine Wissenschaft – verstehen. Das hat auch viel damit zu tun, dass es beispielsweise in der Schweiz nur wenige Orte gibt, wo man mehr über die Fotografie lernen oder die Fotografie studieren kann. Es gibt nicht einmal einen Lehrstuhl für Fotografie an der Universität. Hätten Interessierte bessere Möglichkeiten, sich mit der Fotografie intensiv auseinanderzusetzen, dann hätte sie auch einen ganz anderen Stellenwert. Die Fotografie beinhaltet sehr viel von unserem Leben. Es geht um Physik, Chemie, Licht, Gestaltung, Recherche, Gedankenaustausch, Psychologie und viele andere Themen, die im Leben hilfreich sind und die man umsetzen kann. Ich war immer der Meinung, dass Fotografie ein offizielles Schulfach sein müsste, vielleicht ähnlich wie die Musik, Sport oder Geschichtsunterricht. Sie beinhaltet so viele wertvolle Themen, die unser Leben prägen, sie schärft unsere Sinne und unseren Verstand, wir erkennen Zusammenhänge und lernen Qualität zu schätzen.
Dueblin: Vielleicht verkörpern Klaus Kinski und Werner Herzog für Sie ebenfalls dieses sich völlige Einlassen auf das, womit man sich beschäftigt. Minimalismus war für beide kein Thema. Was haben Sie von diesen beiden Charakteren im Leben als Fotograf mitgenommen sprich wo in Bezug auf Ihre Tätigkeit als Fotograf haben die Beiden Ihr Leben geprägt?
Beat Presser: Ich denke von beiden habe ich gelernt und bestätigt bekommen, dass man das, was man macht, konsequent machen soll, ohne sich kompromittieren oder korrumpieren zu lassen. Das hat mich vor allem Klaus Kinski gelehrt. Er war sehr konsequent und hat, wenn ihm etwas nicht gepasst hat, jeden darauf angesprochen, ganz direkt, ohne Umschweife, manchmal auch laut und drohend. Er war sehr ehrlich, das hat mir gefallen. Meine Zusammenarbeit mit Klaus war sehr fruchtbar und wir haben uns auch sehr gut verstanden. Bei einem Film zeichnete Klaus normalerweise 50 oder vielleicht 60 Fotografien, wenn es hoch kam. Bei „Fitzcarraldo“ unterzeichnete er in der ersten grossen Sendung bereits rund 60 Bilder von mir. Am Schluss waren es rund 1000 Bilder. Das hat mir viel Respekt eingebracht, bei Klaus, aber auch bei Werner Herzog. Und so war die Zusammenarbeit mit den Beiden sehr angenehm. Herzog und Kinski schätzten meine Fotografien sehr. Werner Herzog ist ein grossartiger Erzähler und ein Mythenmacher. Er sagte immer, er mache Dokumentarfilme wie Spielfilme und Spielfilme wie Dokumentarfilme. Seine Arbeitsweise, aber auch er selber, haben mich sehr fasziniert und inspiriert. Ich bin sehr angetan von der Präzision und Hingabe, mit der Werner Herzog an seinen Filmen und auf dem Set an jedem Detail arbeitet und herumfeilt. Werner hatte beispielsweise während „Fitzcarraldo“ immer ein kleines Buch dabei und schrieb alles auf, was ihn beschäftigte. Das hat mich damals bewogen, auch mit dem Schreiben zu beginnen. In meinem neusten Buch über Klaus Kinski sind meine ersten Notizen, die ich je verfasst habe, wiedergegeben.
Dueblin: Herr Presser, bevor ich Sie nun fragen werde, was Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft und die Fotografie ist, würde mich doch noch wunder nehmen, wie es zu dieser wunderbaren Fotografie des Filmstars Eddie Murphy gekommen ist, ein Bild, das in ihrem Studio an der Webergasse in Basel gesehen habe.
Beat Presser: (Lacht) Um all meine Reisen und Projekte umsetzen zu können, muss und musste ich manchmal auch Aufträge annehmen, um Geld zu verdienen. So schrieb ich für Zeitungen Rezensionen über Fotobücher, reproduzierte Bilder und Plakate, portraitierte Leute, schrieb Texte und vieles mehr. Mehrere Male kam es zu einer Arbeit für die Schweizer Illustrierte, für die ich als „fliegender“ Reporter und Fotograf einige Monate unterwegs war. Ich bekam den Auftrag, mit einem Redakteur nach London zu fliegen, um Eddie Murphy anlässlich des Filmdebüts „Beverly Hills Cop“ zu portraitieren. Rund 80 andere Medienvertreter wollten das Gleiche, aber pro Zeitung/Zeitschrift durften immer nur 2 Journalisten und insgesamt nur 10 Leute in den Raum, in dem Eddie Murphy 10 Minuten Rede und Antwort stand und fotografiert werden durfte. Mir war klar, dass ich so keine Fotografie machen konnte, die meinen Ansprüchen genügte. In weiser Voraussicht hatte ich mein eigenes mobiles Fotostudio nach London mitgebracht, also Lampen und alles, was nötig ist, um eine gute Fotografie zu machen. Ich wartete nach der Pressekonferenz in der Halle, von der ich wusste, dass er sie durchschreiten musste. Als er rauskam, stellte ich mich Eddie Murphy in den Weg und sagte zu ihm, dass das mit der Fotografie vorher nicht wirklich geklappt hatte und ich ihn gerne noch einmal ablichten möchte. Er überlegte einen Moment und fragte mich, wo das mit dem Fotografieren denn passieren sollte und ich zeigte auf das Studio in der Ecke der Empfangshalle, worüber er sehr erstaunt schien. Aber er war einverstanden und posierte für mich. So ist das Bild entstanden! Dann lud er mich auf seine Beverly Hills Cop-Party ein (lacht).
Dueblin: Herr Presser, was wünschen Sie sich für sich und Ihre Tätigkeit als Fotograf?
Beat Presser: Ich wünsche mir, dass ich so lange wie möglich gesund und fit bleibe und meinen Projekten nachgehen kann.
Dueblin: Lieber Herr Presser, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute auf Ihren Reisen und viel Erfolg mit Ihren Projekten!
(C) 2011 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.
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Publikationen:
NEU: DHAU – BEATUS PIRATUS AUF SINDBADS SPUREN, mit Texten von Beat Presser und Prof. Abdul Sheriff, Moser Verlag / ISBN 978-3-9812344-7-3
Palm Beach News (Fotozeitschrift), 1976
The Village Cry (Fotozeitschrift), 1977
Flitz Flying Magazine (Fotozeitschrift), 1981
Coming Attractions, Inter Art Corporation, Basel, 1984
Coming Attractions, Lustrum Press New York, 1984
Klaus Kinski, Roma Buchproduktion, Stampa, 1984
Cobra Verde, Filmbuch Edition Stemmle, Schaffhausen, 1987
Nikolausz Günther Nakszynski, Art Publishing, Dublin, 1992
Die Enden der Welt, Stadt Bochum, 1992
Tracce, Erika Suter-Pongratz, Basel, 1995
Alpentraum, Christoph Merian Verlag, Basel, 1998
Ansichten zur Architektur, Anthology, Neues Museum in Nürnberg, 2000
Klaus Kinski – Porträtiert von Beat Presser, Parthas Verlag/ARTE, Berlin, 2000
Skytrain, Goethe Institut, Bangkok, 2002
Werner Herzog, Jovis Verlag / ARTE, 2002
Oase der Stille, Benteli Verlag, Bern, 2004
Oasis of Silence, Benteli Verlag, Bern, 2007
KINSKI, Fotografiert von Beat Presser, moser verlag, München. 2011