Portrait von Doris Russi Schurter, im Interview mit Xecutives.net
Doris Russi Schurter

Doris Russi Schurter studierte Rechtswissenschaften an der Universität Fribourg und hat in den letzten Jahrzehnten auf dem internationalen Parkett als Juristin und Managerin viele Erfahrungen sammeln und weitergeben können. Man kennt Doris Russi Schurter als ehemalige Partnerin der KPMG Schweiz, aber auch als Verwaltungsrätin diverser Unternehmen, so auch der Swiss International Airlines AG. Sie war lange Jahre im Verwaltungsrat der Helvetia Versicherungen (bis 2022 als Präsidentin) und der Luzerner Kantonalbank (2017 bis 2021 als Präsidentin). Doris Russi Schurter ist in diversen Stiftungsräten tätig. Sie hat in frühen Jahren für eine Anwaltskanzlei in New York gearbeitet und sich in interessanten Bildungsinstitutionen in den USA weitergebildet, so an der Georgetown University in Washington DC und an der Harvard Business School in Boston. Seit 2014 präsidiert Doris Russi Schurter die Vereinigung Schweizerischer Unternehmen in Deutschland (VSUD) mit Sitz in Basel. Ihr Vorgänger, Otto H. Suhner, der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Suhner Gruppe, hatte sich zwei Jahrzehnte lang als Präsident der VSUD für die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland eingesetzt, zuvor schon dessen Vater als Gründungsmitglied der VSUD. Der kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Vereinigung Schweizerischer Unternehmen in Süddeutschland gegründet Wirtschaftsverband hatte sich zum Ziel gesetzt, die geschäftlichen Beziehungen mit dem kriegsversehrten Deutschland und der Schweiz wieder zu beleben. Die VSUD berät heute Schweizer Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen in Deutschland. Sie bietet juristische Hilfestellung für den grenzüberschreitenden Verkehr, unterstützt Unternehmen bei Steuerfragen, bei der Entsendung von Mitarbeitenden ins Ausland, bei Geschäftsgründungen und bringt sich politisch mit ihrer Wirtschaftsexpertise und ihrem grossen Netzwerk ein, um die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland, aber auch mit Europa generell, zu verbessern.

Xecutives.net: Frau Russi Schurter, Sie sind eine bekannte Managerin und Rechtsanwältin mit einem sehr spannenden track record. Bevor wir auf wirtschaftliche Herausforderungen und die VSUD zu sprechen kommen, möchte ich Sie fragen, was Sie bewogen hat, Jura zu studieren und später umfangreiche Führungspositionen einzunehmen?

Doris Russi Schurter in einer Präsentation, VSUD, Helvetia Verwaltungsrat
Doris Russi Schurter

Doris Russi Schurter: Ich war immer schon sehr vielseitig interessiert. Ich wollte aber auch ein Fach studieren, bei dem man später gute Berufsmöglichkeiten hat. Jura erschien mir deshalb bei meiner Studienwahl das richtige Gebiet. Man kann nach einem Studienabschluss die Weichen in die verschiedensten Richtungen stellen. Und die Berufsaussichten sind sehr gut. Ich stellte dann während des Studiums rasch fest, dass mich wirtschaftsnahe Fächer mehr interessierten als Verwaltungs- oder Strafrecht. Deshalb fokussierte ich auf diesen Bereich und landete beruflich schliesslich bei KPMG, einer weltweit tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft. Dort lerne ich unter anderem, Geschäftsmodelle und die dazugehörigen Zahlen zu analysieren, was mir später in den verschiedenen Verwaltungsräten eine grosse Hilfe war.
Menschen führen und sie zu motivieren, das gefiel mir, deshalb habe ich mich schon früh für Führungspositionen interessiert. Und ich habe rasch Chancen erhalten, sie gepackt und umgesetzt.

Xecutives.net: Sie gingen schon in jungen Jahren in die USA, zuerst als Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei in New York und Sie haben sich an bedeuten Universitäten weitergebildet, so auch in Harvard, Boston. Was haben Sie aus den USA mitgenommen? Wie nehmen Sie die USA heute wahr?

Doris Russi Schurter: Als ich anfangs der 80er Jahre zum ersten Mal in New York war, begeisterte mich diese Stadt und auch das Land mit den «unbegrenzten» Möglichkeiten enorm. Jeder hatte eine Chance und alle glaubten an sich und daran, dass sie es im Leben weit bringen konnten, wenn sie nur wollten. Inzwischen – so habe ich den Eindruck – ist viel von diesem Drive und diesem Zukunftsglauben verschwunden. Ich erschrak, als ich diesen Sommer nach langer Zeit San Francisco wieder einmal besuchte: Viele «homeless people» auf der Strasse, leere Bürohäuser, geschlossene Restaurants und eine vernachlässigte Infrastruktur.

Xecutives.net: Sie sind mit dem Unternehmer Hans-Rudolf Schurter verheiratet, der bis noch vor nicht allzu langer Zeit als CEO und Verwaltungsratspräsident der Schurter Holding AG tätig war, ein bekanntes Unternehmen mit Sitz in Luzern mit über 2’000 Mitarbeitenden weltweit. Was hatte die Firma Schurter beruflich für einen Einfluss auf Sie?

Doris Russi Schurter: Schurter ist ein Technologieunternehmen. Da werden viele Mittel in die Forschung und Entwicklung investiert. Die Konkurrenz ist gross, Agilität und Flexibilität sind gefragt. Zudem geht über 90 % der Produktion ins Ausland, da ist auch der starke Franken eine grosse Herausforderung. Ich war zumeist in der Finanzindustrie, bei Banken und Versicherungen tätig, da stellen sich andere Fragen. Trotzdem, die Gedanken und Überlegungen, die ich aus den Gesprächen mit meinem Mann über Themen aus der produzierenden Industrie mitgenommen habe, haben auch in der Finanzindustrie ihre Berechtigung. Und so bezog ich bei meinen strategischen Überlegungen jeweils auch industrielle Ansätze mit ein.

Xecutives.net: Im Jahr 2013 haben Sie das Amt der Präsidentin der VSUD angetreten. Die VSUD sieht sich als Stimme der in Deutschland investierenden Schweizer Unternehmen aller Branchen und Grössenordnungen und berät viele Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland. Ich selbst schaue auf eine über 20-jährige Zusammenarbeit mit der VSUD zurück und habe mit den Unternehmen, für die ich arbeite und gearbeitet habe sehr gute Erfahrungen mit der Expertise der VSUD und ihrem Team gemacht. Was hat Sie motiviert und gereizt an diesem alten Wirtschaftsverband in Basel und warum haben Sie sich als Präsidentin dieses Wirtschaftsverbandes zur Verfügung gestellt?

VSUD Logo_Vereinigung Schweizerischer Unternehmen in Deutschland

Doris Russi Schurter: Die Firma Schurter hat schon 1970 eine Tochtergesellschaft im süddeutschen Raum, in Endingen am Kaiserstuhl, gegründet und dabei auch Kontakte zur VSUD etabliert. Es entstand eine rege Zusammenarbeit. Die Firma Schurter war zudem während vieler Jahre im Vorstand der VSUD vertreten. So kam ich in Kontakt mit dieser Organisation. Und dann suchte Otto H. Suhner einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin und hat mich angefragt. Er musste mich nicht lange von der Sinnhaftigkeit dieser Tätigkeit überzeugen.

Xecutives.net: Sie haben die Präsidentschaft von Otto H. Suhner, einer bekannten Aargauer Unternehmerpersönlichkeit, übernommen. Otto H. Suhner hat die VSUD über Jahrzehnte weg geprägt und ist heute noch mit der VSUD eng verbunden. Was waren die Herausforderungen, wenn man ein solches Amt von einer sehr bekannten Person übernimmt und sich eine Art Generationenwechsel einstellt?

Doris Russi Schurter: Otto Suhner prägte die VSUD während vieler Jahre und hat ihr seinen Stempel aufgedrückt. Ich konnte eine gut organisierte und funktionierende Vereinigung übernehmen. Otto Suhner ist als Ehrenpräsident immer noch stark mit der VSUD verbunden und er leistet immer noch einen grossartigen Support. Trotzdem waren mit dem Generationenwechsel, wie Sie das nennen, einige Veränderungen notwendig. Wir haben gewisse Formate wie Webinare neu geschaffen, unsere Kundenkontakte angepasst und mit Videosprechstunden ergänzt und sind dabei digitaler geworden. Wir riefen einen Beirat ins Leben, der die VSUD tatkräftig unterstützt. Und insbesondere ist die Geschäftsführung sehr weiblich geworden, was mich natürlich freut.

Doris Russi Schurter und Livia Leu an der Generalversammlung der VSUD 2013 in Zürich
Doris Russi Schurter mit Gastrednerin Livia Leu an der Generalversammlung der VSUD in Zürich 2023
(Bild mit freundlicher Genehmigung der VSUD)

Xecutives.net: Der ehemalige Vizepräsident der VUSD, Gerold Bührer, der vielen Menschen als FDP- und economiesuisse-Präsident bekannte Wirtschaftsführer und Politiker, meinte im Interview im Jahr 2008, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland verbessert werden müssten. Er stellte fest, dass die schweizerische Politik oft nur wenig Kontakt zur deutschen Politik pflegte, dass es kaum Nationalräte oder Ständeräte gab, die auch einen persönlichen Kontakt zu deutschen Politik- oder Wirtschaftspersönlichkeit pflegten. Nach vielen Gespräche, auch mit anderen Wirtschaftsführern, muss man eingestehen, dass es in Bezug auf die Beziehungspflege mit unserem Nachbarn immer noch grosse Defizite gibt. Das gilt umgekehrt auch für Deutschland. Auf was ist diese gegenseitige Zurückhaltung in der Politik zurückzuführen? Immerhin wirkt sich diese Lücke dann auf die Realpolitik aus, wenn Politikerinnen und Politiker aus Deutschland nicht verstehen, wie die Schweiz tickt, und umgekehrt!

Doris Russi Schurter: Die Schweiz und Deutschland unterhalten vielfältige und intensive Beziehungen zueinander. Sie verbindet eine gemeinsame Sprache und eine ähnliche Kultur. Dazu ist Deutschland der wichtigste Geschäftspartner der Schweiz. Besonders intensiv ist der Handel zwischen der Schweiz und den grenznahen süddeutschen Bundesländern. So ist das Handelsvolumen der Schweiz mit Baden-Württemberg und Bayern zusammen grösser als dasjenige mit China.
Das Wachstum und die wirtschaftliche Stabilität der beiden Nachbarn Deutschland und Schweiz bergen jedoch nicht nur Chancen, sondern verlangen auch, die anstehenden Aufgaben gemeinsam, zukunftsweisend und klug zu lösen. Die globale wirtschaftliche Entwicklung zeigt, dass es immer wichtiger wird, Lösungsansätze unter Berücksichtigung der weltweiten Machtverschiebungen und der sich damit wandelnden Märkte zu finden. Dabei ist es von grossem Vorteil, wenn man sich auf gute Nachbarn verlassen kann. Gerade deshalb müssen die kontrovers diskutierten Themen im Verhältnis Schweiz ­ Deutschland wie zum Beispiel die Diskussionen rund um unseren Landesflughafen Kloten und das dazugehörige Anflugregime über dem süddeutschen Luftraum sowie aktuell die geplanten Pistenverlängerungen Lösungen zugeführt werden. Gemeinsam darüber sprechen und doch aneinander vorbeireden, wie in der Vergangenheit, reicht nicht aus.

Xecutives.net: Wer in Deutschland gearbeitet und gelebt hat, weiss, dass die Deutschen der Schweiz gegenüber sehr positiv eingestellt sind, fast ausnahmslos, auch wenn Medien hin und wieder ein anderes Bild vermitteln wollen. Viele Deutsche kennen die Schweiz als Ferienland und beschweren sich natürlich über die hohen Preise oder sie arbeiten in der Schweiz als Grenzgänger. Was nehmen Sie als Präsidentin der VSUD im Umgang mit Deutschland diesbezüglich wahr?

Doris Russi Schurter: Neben der engen wirtschaftlichen Verflechtung sind die geschäftlichen Beziehungen unserer Mitglieder mit Deutschland auch auf der zwischenmenschlichen Ebene insgesamt sehr eng und gut. Durch die kulturelle Nähe und das gegenseitige Wohlwollen gibt es wenig Missverständnisse und die meisten Transaktionen verlaufen reibungslos. Schweizer Unternehmen werden als sorgfältig und verlässlich wahrgenommen und das erleichtert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutscher Tochtergesellschaften schätzen die Schweizer Unternehmenskultur und Schweizer Unternehmen als gute und zuverlässige Arbeitgeber.

Xecutives.net: Trotz der guten Beziehungen muss man aber eingestehen, dass die Schweizer und die Deutschen verschieden sind. Wir sprechen zwar dieselbe Sprache, haben aber einen ganz anderen geschichtlichen Hintergrund. Wo sehen Sie Unterschiede zwischen den beiden Ländern und ihren Bewohnern?

Doris Russi Schurter: Die grössten Unterschiede liegen vielleicht in der Unternehmenskultur. Am Wirtschaftsstandort Deutschland gibt es viele sehr grosse Unternehmen, die von einem rasch wechselnden Management geleitet werden. Das beeinflusst das Verhältnis zwischen der Arbeitgeber– und der Arbeitnehmerseite. Die Schweizer Unternehmenslandschaft ist geprägt von KMUs, die oftmals in Familienbesitz sind – die Kluft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist hier weniger gross. Auch die hierarchischen Strukturen sind in der Schweiz nicht so ausgeprägt wie in Deutschland.

Xecutives.net: Die VSUD ist in Kontakt mit vielen Organisationen und Institutionen, die sich um die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit bemühen, dazu gehören bspw. auch die EU-Kommission, die Schweizer Botschaft in Deutschland, die Deutsche Botschaft in der Schweiz, die Konferenz der Grenzkantone, die AG Wirtschaft und Arbeit der Oberrheinkonferenz, das Nachbarschaftstreffen Regierungspräsidium Freiburg und die Monitoring Gruppe Technische Handelshemmnisse. Alle diese Institutionen bemühen sich, die Zusammenarbeit beider Länder zu verbessern. Was sind die grossen Herausforderungen, mit denen Sie sich als Präsidentin zurzeit beschäftigen müssen? Was ist es, was gut funktioniert und wo gibt es in Sachen Zusammenarbeit Defizite?

Doris Russi Schurter: Die VSUD ist ein starkes Wirtschaftsnetzwerk, das auch über fest installierte, politische Interessenvertretungen in Deutschland verfügt. Damit setzt sich die VSUD dafür ein, dass Schweizer Unternehmen bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland die bestmögliche Unterstützung in rechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten bekommen. Darüber hinaus profitieren unsere Mitglieder von den diversen Fachberatungen in unseren Kerngebieten. Sie können schnell und unkompliziert Antworten auf ihre Fragen und Anliegen bekommen. Die Kontakte zu unseren deutschen Ansprechpartnern müssen jedoch regelmässig und vor Ort persönlich gepflegt werden. So ist denn auch unsere Geschäftsführerin mehrmals im Jahr bei den entsprechenden Amtsstellen in Berlin. Und ich pflege vor allem auch die Kontakte zum Deutschen Botschafter in der Schweiz sowie zur Schweizer Botschafterin in Deutschland, die ich soeben besucht habe.

Xecutives.net: Nicht nur Deutschland steht vor grossen Herausforderungen. Die wirtschaftlichen Aussichten werden von vielen Investoren als getrübt betrachtet, was mit vielen Krisenherden auf der Welt zu tun hat. Das Verschieben der Weltmächte und das Aufkommen autokratischer Regimes ist auch für Europa eine Herausforderung. Für die Schweiz stellt sich die Frage, wie sie in Zukunft mit der Europäischen Union zusammenarbeiten möchte. Die VSUD verfolgt diese Entwicklung intensiv. Was wird auf die Schweiz zukommen und was spielt Deutschland für die Schweiz für eine Rolle bei dieser Frage?

Doris Russi Schurter: Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU wurde 1972 die Basis für eine gemeinsame prosperierende Zusammenarbeit gelegt. Heute besteht ein dichtes Netz von rund 20 Hauptabkommen und einer Vielzahl von Verträgen, die sich über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt haben. Der bilaterale Ansatz des Verhältnisses der Schweiz zu Europa ermöglicht eine Politik der Offenheit und engen Zusammenarbeit, die nicht gefährdet werden darf. Die EU-Gesetzgebung ist aber auch für Schweizer Unternehmen in Deutschland wichtig und die Interessen unserer Mitglieder müssen in Brüssel vertreten sein. Deshalb unterstützt die VSUD den vom Bundesrat eingeschlagenen Weg.

Xecutives.net: Der bekannte Unternehmer Prof. Dr. h.c. mult. Reinhold Würth hat im Interview auf die Frage, wie es um die Schweiz und die EU steht, gesagt, dass die Macht des Faktischen zukünftige Entscheidungen der Schweizer Bürger beeinflussen werde. Er betonte damals, dass er der Schweiz keine Ratschläge erteilen wolle. Es steht ausser Frage, dass die EU für die Schweiz für die allermeisten Unternehmen in der Schweiz von grösster Bedeutung ist und die Schweiz in absehbarer Zeit Stellung beziehen muss. Was kommt hier auf die Schweiz zu?

Doris Russi Schurter: Die Schweiz muss ihr Verhältnis zur EU wieder auf eine aktualisierte Basis stellen. Dazu hat der Bundesrat noch im Dezember des letzten Jahres ein Verhandlungsmandat verabschiedet. Anders als bei früheren Verhandlungsmandaten wurde diesmal ein sogenannter «Paketansatz» gewählt. Darin eingeschlossen sind einerseits die neuen Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit sowie die Teilnahme an EU-Programmen wie Horizon Europe. Andererseits sieht der Paketansatz die Aufnahme institutioneller Lösungen in die bereits bestehenden Marktzugangsabkommen vor. Die Ergebnisse der letzten Runde der Sondierungsgespräche mit der EU Ende Oktober 2023 motivierten den Bundesrat offenbar, das Verhandlungsmandat in dieser Richtung zu konkretisieren. Parallel zu diesen Gesprächen wurden in den letzten Monaten auch die Sozialpartner und die Wirtschaftskreise involviert.

Das letzte Wort auf Schweizer Seite wird in jedem Falle das Volk haben. Dies hat auch die EU-Kommission inzwischen begriffen. Diese Volksabstimmung zu gewinnen, wird eine grosse Herausforderung sein. Denn es zeigt sich jetzt schon, dass die innenpolitischen Diskussionen noch schwieriger werden könnten, als es die Verhandlungen mit der EU schon sind. Deshalb sind die abfedernden Begleit- und Ausgleichsmassnahmen ganz zentral. Und es gilt, die klaren Vorteile eines neuen EU-Abkommens in der Schweiz sichtbar zu machen. Denn es liegt im Interesse von uns allen, dass wir unser Verhältnis zur EU regeln können. Ein zweites Scheitern kann sich weder die Schweiz noch die EU leisten.

Xecutives.net: Die VSUD berät Unternehmen, die mit Deutschland Geschäfte machen. Noch vor 20 Jahren haben sich Unternehmen mit Institutionen wie der VSUD solidarisch gezeigt. Man sah mit der Mitgliedschaft einen sozialen Beitrag zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Ländern. Wir wissen, dass diese Solidarität heute eine weniger grosse Rolle spielt, was mit der Entwicklung unserer Zivilgesellschaft zusammenhängt. Es wird immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich oft unentgeltlich für die Gesellschaft einsetzen. Was stellen Sie selbst diesbezüglich im Umgang mit Mitgliedern der VSUD fest und wie können Unternehmen in der Schweiz von der VSUD im Tagesgeschäft profitieren?

Doris Russi Schurter: Die Kernaufgabe von Verbänden liegt in den Bereichen Netzwerkarbeit sowie Informations- und Wissensvermittlung. Hier bilden Vereinigungen wie die VSUD, in denen sehr viel Freiwilligenarbeit geleistet wird, eine wichtige Ergänzung zu staatlichen Organisationen. Während in der Vergangenheit die Solidarität zu Verbänden und die Unterstützung mit finanziellen Beiträgen, welche es den Verbänden ermöglichen, eine professionelle Struktur zu führen, als Selbstverständlichkeit akzeptiert war, wird dies heute immer mehr in Frage gestellt. So kämpfen viele Vereinigungen mit Kündigungen von Mitgliedern und dem damit verbundenen Mittelabfluss. Hier wünsche ich mir auch in Zukunft wieder etwas mehr Solidarität und Verständnis für die in meinen Augen sehr wichtige Verbandsarbeit.

Xecutives.net: Frau Russi Schurter, was wünschen Sie der VSUD und der Schweiz für die Zukunft?

Doris Russi Schurter: Ich wünsche mir, dass die wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen zu Deutschland weiterhin so gut und eng bleiben wie bisher – davon profitieren beide Länder. Und dass die VSUD die Schweizer Unternehmen auch in Zukunft bei ihrem Marktauftritt in Deutschland kompetent und zuverlässig begleiten kann.

Xecutives.net: Sehr geehrte Frau Russi Schurter, ich bedanke mich herzlich für dieses Interview und wünsche Ihnen und der VSUD weiterhin viel Erfolg!

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