Alexander Zinser ist Partner und Executive Search Consultant bei der Roy C. Hitchman AG, eine seit über 30 Jahren bestehende Executive-Search-Boutique mit Sitz in Zürich. Aufbauend auf seiner Ausbildung und seinem Werdegang ist er auf die Besetzung von Legal- und Compliance Positionen in Unternehmen sowie auf Anwaltspositionen in Kanzleien fokussiert. Er hat als Unternehmensjurist und Chief Legal Officer in Deutschland, Hong Kong, Luxemburg und in der Schweiz gearbeitet. Als vormaliges Mitglied in Geschäftsleitungen kennt er die Herausforderungen von Unternehmungen. Alexander Zinser verfügt über ein umfangreiches nationales und internationales Netzwerk, unter anderem als langjähriger Präsident des IMD Alumni Club Zürich sowie als Gründer des General Counsel Forum Switzerland.
Alexander Zinser studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Passau, Birmingham, Strassburg, Wien und München und promovierte zum Thema Übernahmeangebote. Er verfügt über einen Executive MBA der Universität St. Gallen (HSG) sowie das deutsche und schweizerische Anwaltspatent. Im Interview mit Xecutives.net beantwortet Alexander Zinser Fragen in Bezug auf die Rekrutierung von Unternehmensjuristinnen und Unternehmensjuristen und knüpft an Aussagen anderer Expertinnen und Experten an, die zum Thema Legal Operations Management Auskunft erteilt haben.
Xecutives.net: Herr Zinser, Sie helfen Firmen, ihre Rechtsabteilungen mit guten Fachkräften «bestücken» zu können. Selbst waren Sie lange Zeit als Unternehmensjurist und General Counsel für viele bekannte Unternehmen tätig. Wie der leider eben verstorbene Prof. Dr. iur. et lic. oec. HSG Heinrich Koller, ehemaliger Direktor des Bundesamts für Justiz im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, in seinem Interview kürzlich aufgezeigt hatte, stehen Juristen nach dem Studium viele Möglichkeiten offen. Viele Juristen zieht es in die Verwaltung, andere wenden sich dem Anwaltsberuf zu, einige zieht es in die Diplomatie und dann gibt es eben noch den Unternehmensjuristen, der Firmen von innen her berät, ein eigener Beruf, ganz anders als derjenige eines externen Rechtsberaters. Die Berufswahl darf somit als sehr vielseitig betrachtet werden, der Weg zu diesen Berufen ist den Studierenden aber oft wenig bewusst. Was sind die Herausforderungen heute beim Suchen und Finden von juristischen Fachkräften, auch im Umgang mit Studienabgängern?
Alexander Zinser: Eine der grossen Herausforderungen ist der Wettbewerb um Talente. Anwaltskanzleien, Unternehmen, Behörden und andere Organisationen suchen immerzu nach erstklassigen JuristInnen. Hinzu kommt, dass Talente um ihren «Marktwert» wissen. Entsprechend agieren sie in diesem intensiven Marktumfeld und bringen ihre Anforderungen vor. Es ist ein Arbeitnehmer-Markt zu verzeichnen. Besonders in einigen Rechtsgebieten zeigt sich ein Mangel an qualifizierten KandidatInnen, genannt seien beispielsweise Gebiete wie Trade Compliance oder Datenschutz. Auch die Gewinnung von Talenten in ländlichen Gebieten kann nur mit einem attraktiven Arbeitsumfeld bewältigt werden.
Der technologische Wandel wirkt sich ebenfalls auf die Suche nach Talenten aus. Es sind KandidatInnen zu identifizieren, die mit diesen Veränderungen Schritt halten, perspektivisch und proaktiv denken. Der Anspruch nach Diversität strahlt auf den Arbeitsmarkt aus. Die Zusammensetzung eines Teams von juristischen Fachkräften mit vielfältigem Hintergrund und unterschiedlichen Perspektiven ist ein Element des Erfolgs.
Anwaltskanzleien, Unternehmen und Behörden können entscheidend zur Gewinnung von Talenten beitragen: Ein effektiver und transparenter Rekrutierungsprozess, eine klare Positionierung als attraktiver Arbeitgeber und ein überzeugendes Employer Branding sind wichtiger denn je.
Xecutives.net: Sie waren selber viele Jahre als Unternehmensjurist tätig. Was sind Ihres Erachtens die Voraussetzungen, persönlicher und fachlicher Art, die eine Unternehmensjuristin oder ein Unternehmensjurist mitbringen muss, wenn sie oder er erfolgreich in einer Rechtsabteilung arbeiten möchte, diese gar führen möchte?
Alexander Zinser: Unternehmensjuristen spielen eine entscheidende Rolle bei der rechtlichen und strategischen Begleitung von Unternehmen. Angesichts der Vielzahl rechtlicher Vorgaben, der Internationalisierung und Komplexität der Sachverhalte, sind Kenntnisse auf dem Gebiet des Projektmanagements gefordert. Das Projektmanagement ist auch bei der Bearbeitung von rechtlichen Sachverhalten kein „Nice-to-have“, sondern mehr denn je ein grundlegender Bestandteil von Transaktionen und Grossprojekten.
Eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit ermöglicht es, komplexe rechtliche Angelegenheiten in eine klare und verständliche Sprache zu übersetzen und an die internen KollegInnen, quer durch alle Hierarchieebenen, zu vermitteln. Eine der Kernaufgaben von Juristen ist die Verhandlung von Verträgen. Insofern sind Verhandlungsfähigkeiten von grosser Bedeutung. Damit einher gehen analytische Fähigkeiten. Unternehmensjuristen sind gehalten, juristische Probleme zu analysieren, Gesetze zu interpretieren und rechtliche Risiken zu bewerten.
Neben Arbeiten im Team ist eine unternehmerische Denkweise unabdingbar. Es geht um das Verständnis für die Geschäftsziele des Unternehmens und die Fähigkeit, rechtliche Lösungen zu entwickeln, die diese Ziele unterstützen.
Bei den fachlichen Voraussetzungen ist eine hervorragende juristische Qualifikation die Grundvoraussetzung. Je nach Spezialisierung sind besondere Fachkenntnisse erforderlich. Bei Generalisten treten regelmässig Fragen- und Aufgabenstellungen im Gesellschaftsrecht / M&A, Vertragsrecht, Geistiges Eigentum, Compliance und Regulierung sowie bei börsenkotierten Unternehmen im Kapitalmarkrecht auf.
Ein tiefes Verständnis der Geschäfts- und Betriebsstruktur des Unternehmens ist wichtig, um eine geschäftsadäquate rechtliche Beratung und Unterstützung zu bieten. Branchenkenntnisse ermöglichen es, auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens eingehen zu können.
Die spezifischen Anforderungen können je nach Unternehmen, Branche und Land variieren. Entscheidend ist, dass Unternehmensjuristen sich kontinuierlich weiterbilden und anpassen, um die sich ständig ändernden rechtlichen, geschäftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Xecutives.net: Robert A. Jeker, von 1983 bis 1993 Präsident der Generaldirektion der Schweizerischen Kreditanstalt, hatte im Vorfeld des Buchprojektes «Legal Operations Management» (Springer Verlag 2017), zu dem Sie ebenfalls einen Beitrag geleistet hatten, aufgezeigt, wie sich die Welt der Juristen in wenigen Jahrzehnten verändert hat. Er ermöglichte damals für die Herausgeber des Buches «Hintergrundgespräche» mit Spitzenmanagern. Noch vor einigen Jahrzehnten sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, meinte er damals, dass ein versierter Jurist später in einem Unternehmen eine leitende Funktion habe einnehmen können. Er nannte hierfür viele Beispiele, war jedoch der Meinung, dass das heute nicht mehr der Fall sei. Die Welt sei zu kompliziert geworden und ohne spezifische Fachkenntnisse und Wissen über Finanzen sei eine Führungsposition heute nicht mehr denkbar. Was machen Sie für Erfahrungen in Sachen Unternehmensjuristen und Karriere? Finden diese Experten und Expertinnen heute Eingang in Führungsgremien? Hat sich diese Welt allenfalls in den letzten 10 Jahren und nach dem Gespräch mit Robert A. Jeker wieder verändert?
Alexander Zinser: Unternehmensjuristen sind in der Lage, komplexe rechtliche Fragestellungen zu verstehen und effektive Strategien zur Risikominderung zu entwickeln. Gleichzeitig können sie dazu beitragen, die Unternehmensführung bei Geschäftsentscheidungen zu unterstützen und die Geschäftsstrategie mitzugestalten.
Die Übernahme von Leitungsfunktionen erfordern tatsächlich über das juristische Fachwissen hinausgehende Kenntnisse. Entscheidend ist, dass Juristen in Leitungsfunktionen in Unternehmen auch über eine breite Managementausbildung und -Erfahrung verfügen. Ein MBA-/ EMBA-Programm oder eine ähnliche Qualifikation ist hilfreich, grundlegende praktische Erfahrungen im Management sind unabdingbar für eine Leitungsfunktion. Sie tragen zu einem tieferen Verständnis für die operativen und strategischen Aspekte des Unternehmens sowie zu einem entsprechenden unternehmerischen Agieren bei.
In den vergangenen Jahren haben General Counsel / Chief Legal Officer in der Schweiz und Deutschland vermehrt Einsitz in den Geschäftsleitungen genommen. Allerdings besteht hierbei, im Vergleich zum Beispiel zu den USA, durchaus Entwicklungspotenzial.
Xecutives.net: Die Besetzung von Rechtsabteilungen ist nicht einfach. Reines juristisches Arbeiten in einer Rechtsabteilung ist in aller Regel wenig zielführend. Es gilt, unternehmerisch denken zu können und wertschöpfend tätig zu sein. Die juristische Arbeit muss einem Unternehmen Vorteile bringen, die sich messen lassen. Wie steht es mit diesem wertschöpfenden Element in der Rechtsabteilung Ihres Erachtens? Was für Eigenschaften muss eine juristische Fachkraft haben, um in einem Unternehmen wertschöpfend tätig sein zu können und als «Enabler» wahrgenommen zu werden?
Alexander Zinser: Um als Jurist in einem Unternehmen als ein Business-Enabler wahrgenommen und erfolgreich tätig zu sein, bedarf es über juristische Fachkenntnisse hinausgehende Eigenschaften und Qualifikationen. Zunächst benötigt ein Jurist als Business-Enabler ein tiefes Verständnis für die Geschäftsziele und -modelle des Unternehmens. Erst dann kann ein Unternehmensjurist die operativen und strategischen Aufgabenstellungen des Unternehmens unterstützen und mitgestalten.
Hinzu kommt proaktives Denken: Die Geschäftswelt verändert sich ständig. Juristen sollten neue rechtliche und geschäftliche Herausforderungen erkennen und entsprechend proaktiv agieren. Ein Business-Enabler-Jurist erkennt rechtliche Risiken und vermindert sie, bevor Probleme auftreten. Gleichzeitig erkennt er frühzeitig Geschäftsmöglichkeiten und bietet Gestaltungslösungen an. Damit geht einher, dass der erfolgreiche Unternehmensjurist Geschäftsrisiken versteht und abwägt sowie innovative Lösungen zur Risikobewältigung findet und implementiert.
Ein Business-Enabler richtet seinen Fokus auf die Bedürfnisse und Anliegen der internen Geschäftseinheiten und externen Geschäftskunden und stellt effektive und unternehmerisch nachhaltige Lösungen bereit. Das Streben nach lebenslangem Lernen und die Weiterentwicklung von Kenntnissen über Rechtsentwicklungen und Branchentrends sind entscheidend.
Xecutives.net: Heinrich Koller hat aufgezeigt, dass immer mehr Anwältinnen und Anwälte den Sprung in Unternehmen versuchen und schaffen, wohingegen Unternehmensjuristen mit einem Anwaltspatent mit einem Wechsel in eine Anwaltskanzlei eher die Ausnahme darstellen. Verwaltungsjuristen dagegen würden sehr selten wechseln und bleiben ihrem Beruf meist treu. Was gilt es zu beachten, wenn Anwältinnen und Anwälte nach langjähriger Anwaltstätigkeit den Sprung in ein Unternehmen wagen? Was sind die Herausforderungen in solchen Fällen für Sie als Headhunter, aber auch die Herausforderung des Managements des Unternehmens?
Alexander Zinser: Wenn Rechtsanwälte als Unternehmensjuristen tätig werden, sind einige wichtige Unterschiede zur Anwaltstätigkeit in einer Anwaltskanzlei zu bedenken. Zunächst sollten Rechtsanwälte, die in einem Unternehmen arbeiten, die Kultur und die Werte des Unternehmens verstehen und sich anpassen können. Die unternehmensorientierte Denkweise kann von der Herangehensweise in einer Anwaltskanzlei abweichen. Unternehmensjuristen arbeiten oft eng mit anderen Abteilungen im Unternehmen zusammen. Hierzu zählen unter anderem Finanzen, Vertrieb, Einkauf, Service, Marketing und Personal. Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Kommunikation mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen ist entscheidend.
Unternehmensjuristen sollten in der Lage sein, die langfristigen Geschäftsziele des Unternehmens zu verstehen und ihre Tätigkeit hierauf auszurichten. Rechtsanwälte sind zuweilen in einzelnen Projekten eingebunden. Hier gilt es den Blick für das grosse Ganze zu entwickeln.
Bei Unternehmen steht auch das Kostenmanagement im Vordergrund. Unternehmensjuristen sollten in der Lage sein, rechtliche Dienstleistungen kosteneffizient anzubieten und Budgets zu überwachen.
Die Identifizierung, Bewertung und das Management rechtlicher Risiken sind eine der Hauptaufgaben eines Unternehmensjuristen. Hierbei sind Unternehmensjuristen oftmals in die unternehmerische Entscheidungsprozesse eingebunden.
Die Karriereentwicklung in einer Unternehmensumgebung zudem ist anders als in einer Anwaltskanzlei. Die Aussichten auf Beförderung und Weiterentwicklung hängen von der Unternehmensstruktur, der individuellen Leistung und anderen Faktoren ab.
Xecutives.net: Auffällig ist, dass viele Unternehmen sich mit dem Führen einer Rechtsabteilung schwertun. Selten wird eine Rechtsabteilung in Sachen Zahlen kontrolliert und geführt. Man geht davon aus, dass die juristische Arbeit erledigt wird. Andere Abteilungen werden dagegen mit harter Hand geführt und man verlangt Fakten und Zahlen, bei deren Nichterreichung Konsequenzen drohen. Wie erklären Sie sich diesen Umstand? Warum wissen oft auch Führungskräfte in Unternehmen bis hin zum Verwaltungsrat nicht, was sie von einer Rechtsabteilung eigentlich erwarten dürfen und wie man die Performance misst?
Alexander Zinser: Die Verwendung von Key Performance Indicators (KPIs) in der Rechtsabteilung kann gegenüber anderen Fachabteilungen seltener sein. Einige Aspekte der Leistung einer Rechtsabteilung sind schwer quantifizierbar. Hierzu zählen Aufgaben, die nicht direkt mit messbaren Ergebnissen verbunden sind, wie etwa die rechtliche Beratung oder die strategische Planung. In der Rechtsabteilung steht die Qualität der rechtlichen Dienstleistungen im Vordergrund, was sich nicht immer leicht in messbaren KPIs widerspiegeln lässt. Die Betonung der Qualität kann dazu führen, dass quantitative KPIs in den Hintergrund treten.
Die Auswahl der richtigen KPIs ist schwierig, und es kann Unsicherheit darüber bestehen, welche KPIs am besten zur Messung der Leistung der Rechtsabteilung geeignet sind. Juristische Angelegenheiten sind zudem oft unvorhersehbar und zeitaufwändig. Dies kann die Messung der Leistung anhand von festen Zeitrahmen erschweren.
Schlussendlich verfügen Rechtsabteilungen oftmals nicht über ausreichende Schulungen und Ressourcen, um KPIs effektiv zu implementieren und zu verwalten. Die Verwendung von KPIs in der Rechtsabteilung ist aber keineswegs unmöglich, viele Rechtsabteilungen haben KPIs implementiert, um die Leistung zu messen, zu verbessern und transparenter zu machen. KPIs können wertvolle Einblicke bieten und dazu beitragen, die Leistung der Rechtsabteilung besser zu verstehen und zu steuern. Aus meiner Sicht sind KPIs hilfreich, und in vielen Fällen unabdingbar für die erfolgreiche unternehmerische und gestalterische Führung einer Rechtsabteilung.
Xecutives.net: Die Zahl der Rechtsabteilungen und Unternehmensjuristen ist auch in der Schweiz in den letzten Jahren enorm gestiegen. Das hat sicher auch mit Compliance zu tun, mit Datenschutz und der Globalisierung ganz allgemein. Heikle Geschäfte über die Grenzen hinweg abzuschliessen, ist mit grossen Risiken verbunden. Es macht Sinn, diese Geschäfte auch juristisch zu durchleuchten und zu prüfen. Guten Rechtsabteilungen gelingt es immer wieder, bspw. die Haftung für Gewerke und Produkte deutlich minimieren zu können, womit eine Rechtsabteilung wertschöpfend tätig ist. Wer ständig mit zu langen Gewährleistungsfristen verkauft, was oft vorkommt, hat oft gravierende Konsequenzen in Bezug auf den EBIT eines Unternehmens. Was stellen Sie selber auf dem Juristen- und Rechtsabteilungsmarkt fest?
Alexander Zinser: In einer globalisierten Welt und in einem zunehmend komplexen geschäftlichen Umfeld sind Unternehmen mit einer Vielzahl von rechtlichen Anforderungen und Herausforderungen konfrontiert. Dies erfordert eine verstärkte rechtliche und unternehmerische Expertise innerhalb des Unternehmens.
Die Regulierung hat in vielen Branchen zugenommen, die Anforderungen an die Compliance sind strenger geworden. Unternehmen benötigen eine proaktive Sichtweise, um Rechtsentwicklungen zu erkennen und ebenso spezialisierte Rechtskenntnisse zur Einhaltung der Vorschriften.
International tätige Unternehmen haben mit unterschiedlichen Rechtssystemen und Rechtsanforderungen zu tun. Dies erfordert eine verstärkte Präsenz von Unternehmensjuristen, um die rechtlichen Belange in verschiedenen Ländern abzudecken.
Unternehmen erkennen die Bedeutung des Risikomanagements und der rechtlichen Risikobewertung. Unternehmensjuristen spielen eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung und Bewältigung rechtlicher Risiken und tragen Chancen vor.
Die vornehmliche Aufgabe der Rechtsabteilung ist es, wertschöpfend tätig zu sein, da schliesse ich mich Ihnen vollkommen an. Es geht darum, rechtliche Risiken zu minimieren, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Interessen des Unternehmens zu schützen. Damit einhergeht die Sensibilisierung der internen Geschäftspartner für die Themenstellungen, die eine Wertschöpfung darstellen. Beispielhaft genannt sei die Wahl einer angemessenen Haftungsklausel, die den rechtlichen Anforderungen und den Interessen des Unternehmens entspricht.
In einigen Fällen kann es kosteneffizienter sein, rechtliche Dienstleistungen intern bereitzustellen, anstatt externe Anwaltskanzleien zu beauftragen. Technologische Entwicklungen haben es einfacher gemacht, rechtliche Dokumente und Informationen zu verwalten und auf Daten zuzugreifen. Dies hat die Arbeit von Unternehmensjuristen erleichtert.
In einer Ära der Transparenz und sozialen Medien sind Unternehmen besonders sensibel für rechtliche Fragen und ihren Einfluss auf das Unternehmensimage. Eine Investition in interne Rechtsabteilungen und Unternehmensjuristen stellt eine Bewältigung der rechtlichen Herausforderungen sicher und trägt zum Renommee des Unternehmens bei.
Xecutives.net: Sie selber haben lange Jahre als Unternehmensjurist gearbeitet. Was sind kurz zusammengefasst Ihre Tipps, die Sie einer Rechtsabteilung heute mitgeben würden, wenn man Sie fragen würde? Was sind Ihre Einsichten der letzten Jahre als Unternehmensjurist?
Alexander Zinser: Eine der wichtigsten Aufgaben einer Rechtsabteilung ist es, die Geschäftsziele des Unternehmens zu verstehen und pragmatisch zu unterstützen. Die Mitgestaltung und rechtliche Begleitung der Unternehmensstrategie tragen zum unternehmerischen Erfolg bei. Business Enabling ist die Pflicht, das Mitgestalten der Unternehmensstrategie die Kür.
Key Performance Indicators (KPIs) messen und steuern die Leistung der Rechtsabteilung. Diese tragen dazu bereit, die Effizienz zu steigern und die Ergebnisse zu verbessern. Moderne Technologie, wie Rechtsmanagement-Software und KI-gestützte Tools erleichtern die Arbeit der Rechtsabteilung erheblich.
Vielfalt in der Rechtsabteilung kann verschiedene Perspektiven und Ansichten fördern und die Fähigkeit zur Problemlösung verbessern. Ständige Weiterbildung dient dem Erlernen neuer Fähigkeiten, um die sich ändernden Anforderungen aktiv anzugehen und mitzugestalten.
Xecutives.net: Sie selber haben ebenfalls einen Executive MBA an der HSG absolviert. Was hat Sie bewogen, diesen Schritt zu tun und was konnten Sie selber als Jurist von diesem Lehrgang profitieren?
Alexander Zinser: Ein MBA- oder ein EMBA-Programm bietet einen breiten Überblick über Geschäftskonzept und -prinzipien. Dies ermöglicht Juristen, die betriebswirtschaftlichen Aspekte von Unternehmen besser zu verstehen und in die rechtliche Beratung einzubringen. Hinzu kommt ein starker Schwerpunkt auf Führungsqualitäten und Managementfähigkeiten. Diese helfen Juristen, sich als Führungskräfte zu entwickeln und Teams effektiv zu führen.
Eine MBA oder eine EMBA-Weiterbildung vermittelt ein tiefes Verständnis für Geschäftsstrategie und -planung. Juristen können dieses Wissen nutzen, um rechtliche Lösungen zur Unterstützung von Geschäftsstrategien zu entwickeln. Es fördert unternehmerisches Denken und die Entwicklung und Implementierung von innovativen Geschäftslösungen.
Eine Weiterbildung vermittelt oft Kenntnisse im Risikomanagement, was für Juristen wichtig ist, um rechtliche Risiken zu bewerten und zu bewältigen. Es trägt dazu bei, dass Juristen kompetent zu nicht-juristischen Themen Stellung nehmen und auf Augenhöhe mit den Business Partner und dem Management kommunizieren. Ein guter Unternehmensjurist versteht es, kritische Fragen zu stellen.
Ein MBA oder EMBA ist besonders nützlich für Juristen, die eine breitere Führungsfunktion in einem Unternehmen anstreben oder die ihr Verständnis für das Geschäftsumfeld vertiefen möchten. Die Entscheidung für einen EMBA oder MBA sollte sorgfältig abgewogen werden und die individuellen Ziele und Umstände sind zu berücksichtigen. Unter diesen Voraussetzungen ist ein MBA oder ein EMBA auf alle Fälle ein Gewinn.
Xecutives.net: Ich möchte Sie noch auf AI ansprechen, ein Thema, das schon 2017 während des genannten Buchprojektes «Legal Operations Management» ein Hype war. AI ist nach wie vor in aller Munde. Ich selber stelle bei der Beratung von Rechtsabteilungen und beim Führen von Rechtsabteilungen fest, dass das Thema in einem durchschnittlichen Unternehmen in einer Rechtsabteilung kaum eine Rolle spielt. Die oft sehr komplexen Fälle, um die es geht, die oft sehr komplizierten Vertragsabschlüsse über die Grenzen hinweg mit all ihren Risiken, lassen sich nicht mit AI steuern oder lösen. Wohin geht diese AI-Reise in Sachen Rechtsabteillungen Ihres Erachtens?
Alexander Zinser: AI-gestützte Vertragsmanagement-Tools können helfen, Verträge zu organisieren, Verfallsdaten zu überwachen und die Einhaltung von Verträgen sicherzustellen. Dies ermöglicht es den Rechtsabteilungen, effizienter zu arbeiten und sich auf strategischere Aufgaben zu konzentrieren.
In rechtlichen Prozessen kann KI bei der Durchsuchung grosser Mengen von Dokumenten und der Identifizierung relevanter Informationen für die E-Discovery helfen. Bei der Kostenkontrolle, etwa bei der Prüfung und Überwachung der externen Anwaltsrechnungen, können die Kosten der Rechtsabteilungen gesenkt werden.
Die AI-Reise in den Rechtsabteilungen wird voraussichtlich zu einer effizienteren und datenbasierten Arbeitsweise führen. Gleichzeitig ergeben sich jedoch auch ethische und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Datenschutz, Vertraulichkeit und Haftung. Rechtsabteilungen können AI-gestützte Technologien erfolgreich in der Unternehmensumgebung unter gleichzeitiger Beachtung der ethischen Aspekte einsetzen.
Xecutives.net: Sehr geehrter Herr Zinser, ich bedanke mich für dieses Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Rekrutierung von juristischem Personal!
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