Aus der „Schweizer Illustrierte Zeitung 1937“
Lyon war im Jahre 1540 eine kleine Handelsstadt, wie viele andere auch. Lyon hatte bereits eine lange Geschichte hinter sich. Gegründet wurde sie von den Römern (lateinisch Lugdunum) und war ein strategisch wichtiger, gut ausgebauter Stützpunkt der Provinz Gallia Transalpina. Mit der Zeit verlor sie im Wandel der Jahrhunderte ihre militärische Bedeutung und entwickelte sich allmählich zu einer kleinen Handelsstadt. Die günstige Lage versprach Lyon eine schöne Zukunft und viele Familien liessen sich dort nieder. Doch die Dinge entwickelten sich nicht wie erhofft.
Viele Schweizer und Schweizerinnen haben es im Ausland zu etwas gebracht und konnten im Ausland Projekte zum Erfolg bringen, von denen die entsprechenden Regionen noch heute profitieren. Eine schöne Geschichte eines «Schweizers», genauer gesagt eines Bündners, der Frankreich wirtschaftlich unter die Arme griff, beschreibt die Schweizer Illustrierte Zeitung aus dem Jahr 1937 (Nr. 1 / 1 Januar 1937)
Während der nächsten 1000 Jahre blieb Lyon die kleine Handelsstadt an der Rhone und Saone. Lyon hatte wirtschaftlich schwer zu kämpfen und es herrschte viel Unzufriedenheit unter der Bevölkerung. Ein grosser Hoffnungsschimmer war das Dekret von Louis IX im Jahre 1540. Er liess auf Kosten der Stadt eine Seidenfabrik errichten. Davon versprach sich die Stadt grossen Reichtum und einen damit verbundenen Aufschwung. Leider verlegte der König die neu erstellte Fabrik von einem Tag auf den anderen nach der kleinen Stadt Tours und Lyon musste in der Folge zusehen, wie die konkurrierende Stadt Tours wuchs und aufblühte.
Lyon blieben die grossen wirtschaftlichen Probleme und seine Wirtschaft war dem Untergang geweiht. Auch die Hilfe des Königs und anderer Handelsleute verbesserten die Lage kaum.
Da erschien in Lyon eines Tages ein vornehmer, fremder Mann. Man bemerkte sofort, dass er reich und in allen Geschäften versiert war. Es war ein «Schweizer» aus dem Bündnerland, er hiess Paul Mascrany. Man wusste genau, dass er mit dem lombardischen Adel verwandt war und auch über grosse Güter im Bündnerland verfügte.
Mascrany nahm sich der Sache der Lyoner Seidenindustrie an. Er liess Weber von Genua nach Lyon kommen, um gleichwertige Waren, wie die Konkurrenz in Tours zu produzieren und verschärfte die Schutzzölle der eigenen Produkte. Er berief sich dabei auf das zugesprochene Recht der Stadt Lyon, alle Seidenwaren aus dem Ausland und sogar auch jene, die nicht für den Lyoner Markt bestimmt waren, mit einem Zoll zu belegen. Mit diesen Massnahmen konnte er in wenigen Jahren die Seidenindustrie von Tours aus dem Feld schlagen und Lyon entwickelte sich in kurzer Zeit zum Wirtschaftszentrum von Mittel- und Südfrankreich. Später sogar konnte Lyon die führende Stellung auf dem Seidenmarkt der Welt erreichen.
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